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Sport: Große Klappe, viele Fliegen
Die deutschen Handballer fiebern dem entscheidenden EM-Spiel gegen Polen entgegen
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Die deutschen Handballer haben bei der EM in Serbien schon einiges erlebt – dramatische Siege, demoralisierende Niederlagen und ein hart erkämpftes Remis. Für Oliver Roggisch zählt das alles nichts mehr, aus seiner Sicht steht erst jetzt das „Spiel der Spiele“ an. So bezeichnet Roggisch die Partie heute gegen Polen (16.15 Uhr, live im ZDF). Der deutsche Abwehrchef von den Rhein-Neckar Löwen geht mit viel Zuversicht in das letzte Hauptrundenspiel der Nationalmannschaft. „Dieses Spiel wird gewonnen“, hat der 32-Jährige beschlossen. Auch die rhetorischen Spielchen vor Anpfiff will der Kreisläufer unbedingt gewinnen.
Es steht viel auf dem Spiel: ein Sieg, und die erste Halbfinalteilnahme der Deutschen seit 2008 wäre geschafft. „Das wäre eine Sensation angesichts der Situation, die wir vor 14 Tagen hatten“, sagt Bundestrainer Martin Heuberger. Viele hatten die deutschen Handballer im Jahr eins nach Heiner Brand schon vor dem ersten Wurf abgeschrieben. Mit einem Erfolg gegen Polen wäre auch die Teilnahme am olympischen Handballturnier 2012 in London immer noch in Reichweite. Roggisch denkt sogar noch weiter: „Wenn wir gewinnen, dann sparen wir uns auch die Qualifikation für die WM 2013. Ich freue mich schon darauf, mehr Urlaub machen zu können.“ Diese große Gelegenheit, drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, werde man sich nicht entgehen lassen.
Die 26:28-Niederlage gegen Dänemark am Montag, der ersten vergebenen Chance auf das Halbfinale, haben die deutschen Spieler schnell abgehakt. „Das ist erledigt. Wir konzentrieren uns jetzt auf die Polen“, sagte Spielmacher Michael Haaß, der bisher zu größten Überraschungen des Turniers zählt. Auch Haaß weiß, dass ein Sieg die Lage des deutschen Handballs enorm verbessern würde: „Das würde sehr zur Beruhigung in vielen Bereichen beitragen.“ Aber nervös macht ihn das nicht. „Man muss doch sehen, wo wir herkommen, wir haben schon mehr erreicht, als viele von uns erwartet haben.“
Seit dem WM-Finale 2007, in dem die die Deutschen die Mannschaft von Bogdan Wenta mit 29:24 besiegte, sind Spiele gegen Polen etwas Besonderes für beide Teams. „Die sind extra heiß, aber wir auch“, sagt Haaß. „Viele Polen waren damals schon dabei“, ergänzt Roggisch. „Wir kennen uns so gut, weil viele von ihnen in der Bundesliga spielen. Das wird ein harter Kampf – ich freue mich drauf.“ Seinen Nasenbeinbruch, sagt er, werde er in diesen 60 Minuten ignorieren. Trotz der Bedeutung des Spiels und des drohenden Ausfalls von Holger Glandorf macht sich auch der Bundestrainer keine Sorgen, dass seine Profis die Nerven verlieren. „Die Mannschaft ist weiter, als ich dachte“, sagt Heuberger. „Sie hat schon mehrere Male bewiesen, dass sie einer solchen Drucksituation gewachsen ist.“ Eine besondere Angelegenheit ist die Partie auch für Patrick Wiencek, obwohl der Gummersbacher Kreisläufer noch nie gegen Polen spielte. „Irgendwie hat das in der Jugend nie geklappt“, sagt der 21-Jährige, der bei seinem ersten Turnier einen sehr abgeklärten Eindruck vermittelt. Aber Wiencek hat polnische Vorfahren, er hätte theoretisch auch das polnische Trikot tragen können, zumal Wenta ihn vor drei Jahren abwerben wollte; Wiencek wurde gelockt mit einem lukrativen Angebot des polnischen Spitzenklubs Kielce. „Ich bin froh, dass sich Patrick damals für uns entschieden hat“, sagt Heuberger.
Dass es nun gegen das Land seiner Vorfahren geht, kümmert den in Duisburg geborenen Wiencek nicht. „Hauptsache, das Ding geht ins Tor“, sagt der bullige Kreisläufer, den seine Mitspieler „Bamm-Bamm“ nennen, nach dem ungewöhnlichen starken Sohn von Betty und Barney Geröllheimer aus der Zeichentrickserie „Familie Feuerstein“. Zurückhaltung nach Treffern, wie sie Fußballer Lukas Podolski in Spielen mit Polen an den Tag legt, kommt für ihn nicht in Frage: „Ich werde so jubeln wie immer. Wichtig ist nur, dass wir dieses Spiel gewinnen.“
Ein Porträt des Bundestrainers Martin Heuberger lesen Sie auf der Meinungsseite.
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