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Homepage: Große Landreserven noch ungenutzt
Um Strategien gegen den Hunger in Afrika ging es bei den Potsdamer Frühlingsgesprächen: Gefordert wurde ein faires Verteilungssystem von Land und die konsequente Nutzung vorhandener Lebensmittel
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Das Land ist da, es wird nur nicht richtig genutzt: Welche Möglichkeiten afrikanische Staaten haben, den Hunger in Afrika durch eine zielgerichtete Landpolitik zu beseitigen, war das Thema der diesjährigen Potsdamer Frühlingsgespräche. Für die internationale Tagung zu Zukunftsfragen lädt die Bonner Stiftung Entwicklung und Frieden bereits seit 1999 jährlich Wissenschaftler, Politiker und Vertreter globaler Organisationen in die Landeshauptstadt ein.
„Die Erde ist die Mutter allen Seins“, sagte Ousseini Salifo zur Eröffnung des Treffen am Wochenende im Hotel Voltaire. Als Beauftragter der Economic Community of West African States (Ecowas) wies er auf das Kernproblem hin, dass große Landreserven in Afrika noch ungenutzt sind: „Die Gesetzgebung zur Landnutzung muss verbessert werden.“
Nur für etwa zehn Prozent der Fläche in den afrikanischen Ländern existiere überhaupt ein Register für den Landbesitz, schätzt Bentje Woitschach, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Entwicklung und Frieden. Auch stabile Besitzverhältnisse sind die Ausnahme: Denn vererbt würde das von einem Bauern bewirtschaftete Land nach dessen Tod häufig nicht an die Ehefrau, die immerhin schon darauf gearbeitet hätte. Stattdessen erhalte es oft ein fernerer Verwandter, der von der Bewirtschaftung keine Ahnung habe, erklärte Jesinta Kunda, Landkoordinatorin aus Sambia.
Die Vielfalt an Regeln, Gesetzen und Vorschriften sei ein Grund für die eher schleppende Entwicklung der Wirtschaftsstrukturen des Kontinents, meint Woitschach. „In vielen Ländern fehlt derzeit noch ein Rahmen für eine sichere Entwicklung“, stellte auch Günter Nooke (CDU), der Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin, fest. „Man kann europäische Konzepte nicht einfach auf afrikanische Verhältnisse übertragen“, gab Jesinta Kunda dagegen zu bedenken.
Eine Stabilisierung und Stärkung der afrikanischen Länder liege auch im Interesse der westlichen Industrienationen, betonte David Nabarro, der UN-Generalsekretär für Nahrungsmittel, der sich per Videobotschaft an dem Treffen beteiligte. Öl und andere Rohstoffe, die grundlegend für den westlichen Lebensstandard sind, würden zu erheblichen Teilen aus Ländern importiert, in denen Armut und damit Hunger herrsche. Steigende Lebensmittelpreise seien auch ein Grund für die derzeitigen Umwälzungsprozesse in Nordafrika.
Die UNO schätzt, dass sich die Weltpreise für Nahrungsmittel in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt haben. Die Welternährungsorganisation der UNO (FAO) geht davon aus, dass die ärmsten Länder in den Jahren 2007 und 2008 mehr als den doppelten Preis für Getreideimporte bezahlen mussten. Der Preisindex für Lebensmittel steht gegenwärtig nach Angaben der FAO auf dem höchsten Stand seit 1990.
Dies trifft vor allem Staaten in Afrika wie Äthiopien, Burundi, Eritrea oder Liberia. „Die Nahrungsmittelkrise im Jahre 2008 hat einige Gewissheiten und das Vertrauen in den Markt erschüttert“, stellt auch Albert Engel von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) fest. Er schlägt vor, globale Marktstrukturen zu verbessern, dabei aber stärker als bisher lokale Entwicklungen zu fokussieren.
Denn es hapert oft auch bei der Verwertung der vorhandenen Lebensmittel. „Die Leute essen nicht, was sie angepflanzt haben“, stellte Angeline Munzara, Koordinatorin für Lebensmittelkampagnen in Genf fest. Es werde häufig zu viel für den Export produziert. In vielen Ländern herrsche ein Ungleichgewicht zwischen dem Import und dem Export von Lebensmitteln, was zu Hunger in der Bevölkerung führe.
Als ein weiteres Problem afrikanischer Staaten hat Jesinta Kunda das sogenannte „Land Grabbing“ ausgemacht. Ausländische Investoren würden in großem Stil Land kaufen und dann eine Entwicklung forcieren, die den Bewohnern nicht zugute käme. Prosper Matondi vom Ruzivo Trust aus Harare gab jedoch auch zu bedenken, dass es Fälle gebe, in denen ausländische Investitionen zu einer positiven Entwicklung geführt hätten.
Hierfür nannte Hubert Ouedraogo von der Wirtschaftskommission für Afrika (Uneca) das Beispiel Malawi. Der Staat hätte es in den vergangenen Jahren geschafft, eine Nahrungsmittelproduktion aufzubauen, die für die Versorgung der Bevölkerung ausreiche. Auch dort sei zwar eine Konzentration der Produktion bei wenigen großen Produzenten festzustellen, aber Kleinbauern würden ebenfalls deutlich zur Nahrungsmittelproduktion beitragen.
Einig waren sich die Konferenzteilnehmer, dass ein solcher Erfolg nur möglich sei, wenn die Produktivität möglicher Anbaugebiete von Nahrungsmitteln durch ein faires Verteilungssystem von Land und gesetzlich geregelte Formen der Landübertragung garantiert werden. Hierbei müssten allerdings die verschiedenen Rechts- und Stammessysteme der Landübertragung in Afrika berücksichtigt werden. Michael Brüntrup vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik wies zudem darauf hin, dass der Erfolg Malawis nur möglich gewesen sei, weil rund 12 Prozent des Staatshaushaltes in Düngersubventionen geflossen seien. Dies würde aber auch zu Problemen bei der Zuteilung des Düngers führen, beispielsweise, wenn ganz kleine Produzenten die ihnen zustehende Menge sogleich weiter verkaufen würden, weil sie zu einer ökonomischen Nutzung gar nicht in der Lage seien. Dennoch wertet er insgesamt die Entwicklung Malawis positiv.
Richard Rabensaat
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