Landeshauptstadt: Große Suche nach dem kleinen Punkt
In Wünsdorf wird nach Potsdamer Blindgängern gesucht, in Kummersdorf werden sie gesprengt
Stand:
In Wünsdorf wird nach Potsdamer Blindgängern gesucht, in Kummersdorf werden sie gesprengt Peter Mendel rückt Potdam auf die Pelle. Stück für Stück die Straßen und Häuserzeilen am Stadtkanal entlang. Sein Blick ist aufmerksam, denn er ist auf der Suche. Kleinen Punkten, manchmal nur blassen Schatten, vom Laien mit Sicherheit übersehen, gilt sein Interesse. Hat er einen entdeckt, markiert er ihn mit der Maus, die Koordinaten werden gespeichert. Nach spätestens dreißig Minuten setzen die ersten Ermüdungserscheinungen ein. Der ständig konzentrierte Blick auf den Monitor mit der dreidimensionalen Vogelperspektive Potsdams von 1945 fordert Tribut. Peter Mendel lehnt sich zurück, im Hintergrund gurgelt die Kaffeemaschine. In der Wünsdorfer Waldstadt wird Potsdam unter die Lupe genommen. Hier arbeitet die Abteilung Luftbildauswertung des Staatlichen Munitionsbergungsdienstes Brandenburg. An die 17000 Luftaufnahmen vom Land Brandenburg aus amerikanischen und englischen Archiven stehen mittlerweile den Luftbildauswertern Mendel, Manuela Machemehl und Frank Ritter zur Verfügung. Vor und oft auch nach den Luftangriffen zwischen 1944 und 1945 auf Städte oder Industrieanlagen wurden diese Aufnahmen gemacht. Etwa 300 davon zeigen Potsdam. Mehrmals wurde Potsdam während der Kriegsjahre von alliierten Bombern angegriffen. Verheerend jedoch war der Angriff am 14. April 1945. Knapp 1800 Tonnen Bombenlast fielen auf die Stadt, beschädigten das Stadtschloss und die Garnisonkirche schwer und zerstörten eine großen Teil des historischen Stadtkerns. Zehn Prozent der abgeworfenen Bomben, so schätzen Experten, waren Blindgänger. Die zu finden, ist Aufgabe der Abteilung Luftbildauswertung. Mendel weist auf einen kleinen Punkt neben einem Bombentrichter in der Nähe des Stadtschlosses. „Hier haben wir einen Blindgänger gefunden.“ Auch bei einer anderen Stelle wurden sie fündig. Doch statt einer Bombe fanden sie einen vergrabenen Herd. Vor Fehldiagnosen sind sie auch hier nicht gefeit. Gefunden wird aber immer noch genug. Allein über 7500 Sprengbomben und knapp 13000 Granaten wurden im vergangenen Jahr im Land Brandenburg aus der Erde geholt. Im Bereich Pirschheide und den Weißen Kasernen finden sich noch heute die meisten Munitionsreste im Raum Potsdam. Doch im Rahmen der Vorbereitung zur Buga 2001 wurde auch in der Innenstadt mancher Furcht einflößender Überrest zu Tage gefördert. Eine 500 Kilobombe mussten die Experten damals am Neuen Markt entschärfen. Nicht ohne Probleme: Die Zünderbuchse des mechanischen Zünders ließ sich nur schwer lösen. Klaus Pöhl spricht von diesen mechanischen Zündern mit großem Respekt. Entweder ein kleines Uhrwerk oder eine chemische Lösung sollte damals die Sprengung verzögern, manchmal sogar um mehrere Tage. Bei einer Entschärfung seien diese Zünder am problematischen, denn nur eine kleine Erschütterung reiche manchmal aus, um den Mechanismus auszulösen. Nach seiner gefährlichsten Situation befragt, antwortet Pöhl: „Ich stehe noch senkrecht. Kann alles also nicht so schlimm gewesen sein.“ So lakonisch muss man wohl sein bei dieser Arbeit. Auf dem Sprengplatz im Wald bei Kummersdorf arbeitet Pöhl als so genannter Truppführer. Sämtliche Munition, die in Brandenburg gefunden wird und nicht vor Ort gesprengt werden muss, kommt hierher. Mitten im trockenen Kiefernwald liegt der Sprengplatz. Trichter an Trichter, aufgewühlte Erde, bekommt man hier den beklemmenden Eindruck, wie Bomben wüten können. „Das muss “ne 250er gewesen sein“, erklärt Pöhl einen imposanten Krater. Überall liegen verrostete Eisenteile und zeugen von der Wucht der Explosionen. Pöhl kommentiert diesen Umstand in seiner trockenen Art: „Hier müsste mal wieder aufgeräumt werden.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: