Kolumne: Etwas HELLA: Grüne ist eine schwierige Farbe
Ganz tief drinnen bin ich eine Grüne. Ich trenne brav meinen Müll, drossele die Heizung wegen der nahenden Klimakatastrophe oder ehrlicher gesagt, wegen der ausfallenden Winter.
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Ganz tief drinnen bin ich eine Grüne. Ich trenne brav meinen Müll, drossele die Heizung wegen der nahenden Klimakatastrophe oder ehrlicher gesagt, wegen der ausfallenden Winter. Ich habe mein Auto abgeschafft. Es war ohnehin eine alte Klapperkiste. Herrn Kretschmann verdanke ich die Erkenntnis, dass grüne Politik vernünftig sein kann und so würde ich auch gern an meinem Wohnsitz mal wieder Grün wählen.
Doch leicht machen es mir die ortsansässigen Umweltfreunde nicht. Zum Beispiel mit dem Aufruf, mich an der „Earth Hour 2016“ zu beteiligen. Von 20.30 bis 21.30 Uhr sollte ich am Samstag das Licht ausschalten. Sofort kam ich ins Grübeln, ob auch der Fernseher und womöglich alle Standby-Schaltungen gemeint sind. Trifft das Stromsparen auch auf die Heizung zu? Dann wurde mir auch noch verstörend bewusst, dass ich am Samstagabend gar nicht zu Hause sein würde. Wie kann ich nach 20.30 Uhr abrupt das Licht ausschalten, wenn gar keines mehr in meiner Wohnung brennt? Ist nicht gerade das Signal das Wichtigste? Erst feenhafte Beleuchtung, dann Düsternis!
In der Gaststätte, in der ich mich mit Freunden verabredet hatte, brannten sinnlos, aber gemütlich Kerzen zusätzlich zur Deckenbeleuchtung und die Heizung war auch nicht aus. Mein schlechtes Gewissen nahm so heftige Formen an, dass ich abrupt vom halbvollen Teller aufstand, mein Fahrrad schnappte und nach Hause fuhr. Ich habe erst mal in allen Zimmern Licht angemacht und die Heizung bis zum Anschlag aufgedreht. Und dann ratzfatz alles aus.
Auf dem Weg von zu Hause in die City konnte ich leider nicht feststellen, dass sich Potsdam auch nur eine Spur dunkler präsentierte. Ein Lichtermeer erwartet selbst in der historischen Innenstadt ohnehin niemand. Deshalb machen sich für ein Lichtkonzept gerade – na wer schon? – die Grünen stark. Wenn an gut beleuchteten Fixpunkten das Licht ausgemacht wird, das wirkt wenigstens. Leider ist das der Stadt zu teuer. Nicht das Ausmachen, sondern das Lichtkonzept. Inzwischen war mein Essen im Restaurant kalt geworden und der Gastwirt hatte es abgeräumt. Vorhaltungen wegen der Beleuchtung quittierte er mit einem so erstaunten Lächeln, dass meine Freunde das Trinkgeld erhöhten und etwas von Grippefieber murmelten.
Ernüchtert hinterfrage ich nun, welche Partei in der Nachbargemeinde Schwielowsee das Sagen hat. Dort wird nämlich gerade völlig ungrün die Selbsthilfe bei einem Mega-Blackout geübt. Es geht dabei um einen möglichen länger anhaltenden Stromausfall, weil alternative Energien ohne Kohleverstromung und Kernenergie völlig unberechenbar sind. Mal scheint die Sonne nicht, vor allem nachts, mal ist es windstill und das Wasser fließt auch nicht immer den Berg runter. Mega-Blackout klingt für mich außerdem viel furchterregender als Earth-Hour und grüne Schummerstunde. Und das nicht nur wegen des möglichen Stromausfalls, ohne den ja nichts geht, nicht einmal die Gasheizung. Blackout erinnert mich auch irgendwie an Demenz und Alzheimer.
Entschuldigung – wovon hatten wir gerade gesprochen? Ach so ja, ich wünsche Ihnen allen hellgrüne frohe Ostern.
Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.
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