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Von Jan Brunzlow und Henri Kramer: Grüne wollen neue Stasi-Überprüfung des Stadtparlaments Stadtpräsident Peter Schüler: „Wir haben in Potsdam auch Grenzfälle“ á la Stobrawa

Bei den Abgeordneten der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung soll noch einmal überprüft werden, ob es bislang nicht bekannte Stasi-Verstrickungen gegeben hat. Das sieht ein Antrag für die nächste Sitzung des Stadtparlaments im Januar vor, den die Fraktion der Potsdamer Bündnisgrünen gestern Abend beschlossen hat.

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Bei den Abgeordneten der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung soll noch einmal überprüft werden, ob es bislang nicht bekannte Stasi-Verstrickungen gegeben hat. Das sieht ein Antrag für die nächste Sitzung des Stadtparlaments im Januar vor, den die Fraktion der Potsdamer Bündnisgrünen gestern Abend beschlossen hat. Durchleuchtet werden sollen dabei jene Stadtverordnete, die vor dem 31. August 1971 geboren wurden und deren letzte Überprüfung länger als zwölf Monate zurückliegt. Auch die vier städtischen Beigeordneten sollen von der Birthler-Behörde überprüft werden.

Der Grund für den Vorstoß sind die aktuellen Enthüllungen über bisher verheimlichte Stasi-Fälle im brandenburgischen Landtag. Stadtpräsident Peter Schüler nannte gegenüber den PNN die Vorwürfe gegen Linken-Abgeordnete Gerlinde Stobrawa als Anlass für den Antrag. Die Politikerin war zwar 1991 wie alle Abgeordneten des ersten Brandenburger Parlaments überprüft worden. Damals wurde Stobrawa von einer zuständigen Sonderkommission noch als sogenannter Grenzfall eingestuft. Danach hatte es allerdings keine weitere Prüfung mehr gegeben. Erst mit der neuen rot-roten Landesregierung waren neue Dokumente aufgetaucht, die eine tiefere Stasi-Verstrickung der Politikerin nahelegen. „Wir haben in Potsdam auch solche Grenzfälle“, sagte Stadtpräsident Peter Schüler (Bündnisgrüne) gestern den PNN.

Damit spielte er ausdrücklich auf die Linke-Stadtverordneten Rolf Kutzmutz und Hans-Jürgen Scharfenberg an. Beide wurden in der DDR als Inoffizielle Mitarbeiter der Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) geführt, ihre Akten sind seit Mitte der 1990er bekannt. Scharfenberg wurde als IM „Hans-Jürgen“ geführt, Kutzmutz war IM „Rudolf“. Schüler sagte, „wir wollen bei den langjährig tätigen Stadtverordneten sehen, ob sich neue Erkenntnisse ergeben haben“. Dreizehn der 56 Stadtverordneten haben ihr Mandat seit mehr als zehn Jahren, sechs davon gehören zu den Linken.

Unklar blieb gestern, ob Antrag womöglich nur symbolischen Charakter hat. So hatten die Stadtverordneten erst im Dezember vor einem Jahr beschlossen, alle Mitglieder im Parlament nach den Grundsätzen des Stasi-Unterlagengesetzes zu überprüfen – laut Schüler allerdings nur die neuen Stadtverordneten, wie zu Beginn jeder neuen Legislatur nach einer Kommunalwahl. Dagegen sagte den PNN eines der Urgesteine des Stadtparlaments, der frühere Stadtpräsident Helmut Przybilski (SPD), würde es neue Erkenntnisse geben, müsste dies die Stasi-Unterlagenbehörde vom Gesetz her sowieso melden. „Stellt der Bundesbeauftragte eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst von kommunalen Abgeordneten fest, so hat er dies von sich aus der zuständigen Stelle mitzuteilen“, heißt es im Gesetzestext. Schüler sagte dazu, die Unterlagenbehörde müsse aber extra beauftragt werden. Przybilski gehörte seit 1990 einer Kommission des Stadtparlaments an, die sich mit bekannt gewordenen Stasi-Verstrickungen von Abgeordneten beschäftigte – und für die Fälle Kutzmutz und Scharfenberg feststellte, dass deren Tätigkeit für das MfS „niemand geschadet“ hätten, so Przybilski. Ein anderes Mitglied der Kommission erklärte gegenüber den PNN, der Fall Scharfenberg sei schwierig gewesen. Die Kommission habe damals keine Stellungnahme dazu abgegeben. „Wir haben uns gedrückt“, hieß es.

Mit ihrem neuen Antrag kommen die Potsdamer Grünen offenbar auch einem Wunsch ihrer Landespartei nach. Erst am Freitag hatte Parteichefin Annalena Baerbock erklärt, die Stasi-Aufarbeitung müsse gerade auch auf kommunaler Ebene fortgesetzt werden. Die Potsdamer SPD befürworte den Antrag und habe ihn um die Beigeordneten ergänzt, sagte SPD- Chef Mike Schubert gestern Abend. Auch die FDP hat ihre Zustimmung signalisiert.

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