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Landeshauptstadt: Gruppe mit Waage

Gemeinsam mit anderen abnehmen: Wiegen ist Pflicht

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Gemeinsam mit anderen abnehmen: Wiegen ist Pflicht Von Nicola Klusemann Sie mag sich nicht. Wenn sie sich im Spiegel betrachtet, entdeckt sie nichts Schönes. Jedes Kilo zu viel an ihrem Körper erdrückt ihr Selbstbewusstsein. Unzählige Male hat die heute 32-Jährige versucht, abzunehmen. Über 50 Diäten hat sie begonnen, die meisten schon nach wenigen Tagen oder Wochen abgebrochen. Weil die Esssucht sie übermannte, weil eine belastende Situation nur mit Leckereien erträglich schien. Nach diesen ganzen Erfahrungen erwog Anne B. *, sich ein Magenband anlegen zu lassen. Dies schnüre das Verdauungsorgan zu, verkleinere es so, dass der Patient schon nach geringen Nahrungsmengen Sättigung verspüre. Ein Eingriff nicht ohne Risiko. Die junge Frau aber war so frustriert, dass sie auch das in Kauf genommen hätte. Dann erfuhr die Potsdamerin von einer Studie an der Charité, die übergewichtige Probanden suchte. Die eine Hälfte sollte ein Magenband bekommen, die andere mit Appetitzügler und konservativem Abspecken Gewicht verlieren. Das Los entschied. Anne B. kam um die Operation herum. In knapp einem Jahr nahm sie über 30 Kilo ab, kam unter 100 Kilo Gesamtgewicht. Unter ärztlicher Aufsicht und mit Aqua-Fitness. „Im Wasser fühlte ich mich wie eine Feder.“ Gymnastik als Fliegengewicht. Ein Gefühl, das sie stärkte. „Ich war auf dem richtigen Weg.“ Und dann passierte, was zuvor auch immer zum Abbruch geführt hatte. Eine persönliche Sache traf sie so, dass sie vom eingeschlagenen Weg abkam. Wieder war der erste Gang nach dem Nachhausekommen der Kühlschrank. Mit gefülltem Teller zog die junge Frau vor den Fernseher. Mit jedem Bissen mehr Entspannung, trügerische Zufriedenheit. „Wenn ich noch nicht satt war, ging ich eben noch mal.“ Hätte man sie nach solchen Fressattacken gefragt, was und vor allem wie viel sie zu sich genommen habe, „hätte ich es nicht sagen können“. In kurzer Zeit waren die Pfunde wieder drauf, die Enttäuschung über die eigene Willensschwäche doppelt so groß. Zwar hatte ihre Teilnahme an der Charité-Studie nicht zu dauerhafter Gewichtsreduzierung geführt, aber die Potsdamerin erfuhr die wichtige Funktion einer Gruppe. Zum Programm gehörte nämlich auch Gruppentherapie: Der Austausch mit Gleichgesinnten. Die sucht Anne B. jetzt selbst. In einer Selbsthilfegruppe, so hofft sie, multipliziere sich die Disziplin. Dafür gebe es ja gerade auf dem Diät-Sektor prominente Vorbilder. Unbedingtes Muss bei den Gruppensitzungen sei deshalb das Wiegen. Da dürfe sich niemand vor drücken, fordert sie. „Wer unter seinem Übergewicht leidet und etwas ändern will, der braucht auch eine Kontrolle.“ Man brauche ein Instrument, das einem Maß halten helfe. Natürlich gebe es beim Wiegen auch Frustration, wenn man wieder nicht abgenommen habe. „Ausreden helfen da nicht viel. Von wegen: Ich hab doch gar nicht so viel gegessen“, sagt Anne B. Man müsse vom Selbstbetrug wegkommen. Sie verlange Ehrlichkeit. Das sei nicht schwer, schließlich sei in der Gruppe geballtes Verständnis. Anne B. will gemeinsam mit anderen ihr Leben auf „gesund“ umstellen: Ernährungsberatung, Aqua-Fitness und Gymnastik für Mollige sollen auf dem Gruppenprogramm stehen. *) Name von der Redaktion geändert. Die Selbsthilfegruppe trifft sich zum ersten Mal am 1. März, dann immer montags von 17 bis 18 Uhr im Sekiz. Anmeldung unter (0331) 6200282

Nicola Klusemann

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