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Ud Joffe am Abend: Wiedergutmachung ist keine Immobiliengeschichte.

© A. Klaer

Von Guido Berg: Grüße von David Levin

Potsdam gedenkt der Pogromnacht 1938 / Neue Kritik an Synagogenprojekt

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72 Jahre nach der judenfeindlich Pogromnacht in Deutschland haben zahlreiche Potsdamer der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. „Vor 65 Jahren endete das größte Morden in der Menschheitsgeschichte“, erklärte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern am Standort der 1938 geschändeten und heute nicht mehr existierenden Potsdamer Synagoge am Platz der Einheit. „Rassenhass und Größenwahn startete von Deutschland aus eine nie dagewesene Verwüstung“, so Jakobs weiter. Der Holocaust stelle in der Geschichte der Menschheit „einen einmaligen, unfassbaren, bis dahin unvorstellbaren Tötungs- und Vernichtungsfeldzug gegen eine ganze Religion mitten in Europa dar“. Jakobs nannte die Verbrechen an den jüdischen Mitbürgern „einen nicht zu tilgenden Schandfleck und sichtbares Kainsmal aller Deutschen anderer Glaubensrichtungen“. Jakobs spannte in seiner Rede den Bogen bis zum Mauerfall am 9. November 1989, als die DDR-Bürger „bewiesen, wozu Menschen fähig sind, wenn sie dem System politischer und gesellschaftlicher Diktate widerstehen“. Kein Staat, so Jakobs, könne jemals „eine höhere Autorität beanspruchen als jeder einzelne Mensch durch seinen Glauben in sich trägt“.

Im Anschluss sprach der Rabbiner Shlomo Afanasev das Gebet „Hör, Israel“ in hebräischer Sprache. Der katholische Probst Klaus-Günter Müller übersetzte das Gebet ins Deutsche. Anschließend verlasen die Schüler Boris Silberstein und Richard Funke die Namen der Potsdamer Juden, die zwischen 1933 und 1945 deportiert und ermordet wurden.

Am Ort der Ort der neuen Synagoge mit Gemeindezentrum für die Jüdische Gemeinde Potsdam brach wenig später der evangelische Superintendent Joachim Zehner eine Lanze für die repräsentative Demokratie. Er wendete sich gegen Vorwürfe einer existierenden „Cliquen-Demokratie“. Die Nazi-Zeit lehre, dass allen Achtung und Anerkennung zukomme, die sich „der Mühsal der Konsensfindung unterziehen“. Wenn es ihm als Superintendent gestattet wäre, würde er „noch heute in eine Partei eintreten“.

Am Abend gedachte die neue Synagogengemeinde der Opfer der Pogromnacht. An der Stelle des alten Synagoge erneuerte Gemeindemitbegründer Ud Joffe die Forderung nach Errichtung einer attraktiven Synagoge. Ein Gemeindemitglied verlas einen Brief von David Levin aus Jerusalem. Levin ist womöglich das letzte noch lebende Mitglied der alten Potsdamer Synagogengemeinde. Levin in seinem Brief: „Ihr steht am 9. November bestimmt an der Stelle meiner Synagoge, die ich als Kind so geliebt habe“. Als Ehrenvorsitzender der Synagogengemeinde drückt Levin seine Traurigkeit darüber aus, dass die neue Synagoge in der Schlossstraße „kein erhabenes Haus für Gottesdienste werden soll“. Dazu Rabbiner Nachum Presman: „Unsere Gemeinde wird, so Gott will, eine richtige, schöne Synagoge bauen, hier in Potsdam.“ Joffe erklärte weiter, der Bauverein für die neue Synagoge sei an der Aufgabe gescheitert, die jüdische Kräfte der Stadt zu bündeln. Er habe „die Differenzen gefördert“. Wiedergutmachung bedeute, „die Kommunikation zwischen unseren Kulturen wieder gut zu machen“. Joffe: „Wiedergutmachung ist keine Immobiliengeschichte.“

Ulrich Zimmermann von der Bürgerinitiative Mitteschön rieb sich am Plakat an der Schlossstraße 1; auf dem steht: „Potsdam baut eine Synagoge“. Zimmermann: „Ich meine nein.“ Architektur, städtebauliche Lösung sowie Konzept vermittelten „keine Zukunftsvision für jüdisches Leben in der Stadt“. Eine mögliche Schlussfolgerung formulierte Maria von Pawelsz-Wolf (CDU): „Ich fände es schön, wenn die alte Synagoge wieder herkäme.“

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