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Landeshauptstadt: Gurkensamen vom Polarkreis

Im Verein „Freundschaft 2001“ pflegen Einwanderer aus den Weiten Russlands ihre Gärten

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Im Verein „Freundschaft 2001“ pflegen Einwanderer aus den Weiten Russlands ihre Gärten Gurken hat Peter Garfert als Samen vom Polarkreis mitgebracht – aus der Republik der Komi, in der er bis 1996 lebte. Er meint, nur sie seien so richtig für die berühmten russischen Salzgurken geeignet. In der Kleingartenanlage „Freundschaft 2001“, deren Vorsitzender er ist, haben viele Einwanderer eine Parzelle gepachtet. Auch Blumensorten haben sie von daheim mitgeführt und vor ihre Laubengiebel geschnitzte Zierbretter gesetzt, wie wir sie von der Kolonie Alexandrowka kennen. Zur Potsdamer Buga als Musterkleingartenanlage angelegt, atmet das Gelände ein wenig „russische Weite“, denn die Parzellenbänder sind durch Streuobstwiesen getrennt. Die Hälfte der Musteranlage wurde an „Freundschaft 2001“ vergeben, dem wohl einzigen internationalen Kleingartenverein in Deutschland, wie Peter Garfert meint. Sein Stellvertreter im Vorstand ist ein Berliner, die Schatzmeisterin kommt vom Ural, die Schriftführerin aus Potsdam, und der Umweltbeauftragte war in der Ukraine zu Hause. Für die 51 Parzellen gibt es nur 38 Pächter, und das hat seinen Grund. Wenn sich eine deutsch- oder jüdisch-stämmige Familie zur Umsiedlung entschließt, dann komplett. Bei den Garferts waren das neben Peter mit Frau und Tochter die Eltern und zwei Brüder mit Familie. In ihrer neuen Heimat halten sie weiter zusammen, wie sie es nach russischer Sitte, aber auch aus ihren leidvollen Erfahrungen als stalinistisch Verfolgte gewohnt sind. Und für eine so große Familie reicht eben eine Parzelle nicht aus. Das gilt auch fürs Feiern. Dazu zieht sich niemand in seine Laube zurück. Dass alle Kinder, Enkel, Onkel, Tanten und Vettern dabei sind, versteht sich von selbst. Ebenso wenig wird dem Nachbarn oder dem einfach so Vorbeikommenden die Tür gewiesen. Zu den Einheimischen, so der benachbarten Sparte „Feldflur“, besteht ein freundschaftliches Verhältnis. Hier an der Kirschallee sieht man bereits viele schmucke Lauben. Peter Garfert erklärt dies ebenfalls aus dem engen Zusammenhalt: „Gewiss leben einige unserer Pächter von Sozialhilfe. Aber jemand hat in unseren großen Familien immer Arbeit, und der gibt dann das Geld.“ Die Würfelkästen der ihnen zur Buga angebotenen „Musterlauben“, die zudem potthässlich waren, hätten sie allerdings weder kaufen wollen noch können; dafür wurden 24 000 DM verlangt. Die meisten Gärten werden stark für den Gemüseanbau genutzt, und das nicht nur der Salzgurken wegen. Für den Mann aus dem Dauerfrostgebiet der Komi, wo selbst Kartoffeln nur unter Glas gedeihen, ist das Wachsen und Blühen der Freilandkulturen eine ganz neue Erfahrung. Voller Stolz zeigt er einen riesigen Kürbis, den er gerade geerntet hat. Die meisten deutschstämmigen Einwanderer haben einen weiten und schweren Weg hinter sich. Unter Stalin von der Wolga nach Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan oder eben bis ins Land der Komi verschleppt, wurde ihnen erst ab den 70er Jahren gestattet, wieder in andere Gebiete zu ziehen und später dann, nach Deutschland auszureisen. Da hat sich auch der Mediziner Peter Garfert, dem es als Vorsitzender des Roten Kreuzes in der Komi-Republik keineswegs schlecht ging, dazu entschlossen, der jahrzehntelangen Odyssee seiner Familie ein Ende zu setzen und in die Heimat der Vorfahren zurückzukehren. Hier wirkt er als Migrantenbetreuer, hilft also Landsleuten, sich in Deutschland zurechtzufinden und sich zu integrieren. Dafür besitze auch der internationale Kleingartenverein einen hohen Wert, meint er.

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