Landeshauptstadt: Gut essen und Klinkenputzen
Am Donnerstag findet das Benefiz-Konzert der Service-Klubs statt. Doch was genau macht so ein Klub eigentlich?
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Sich austauschen und gemeinsam Gutes tun: Das ist die Grundidee der sogenannten Service-Klubs. Zehn solcher Gemeinschaften gibt es in Potsdam (siehe Kasten). Aber anders als zum Beispiel bei Vereinen wird man nicht ohne Weiteres Mitglied – und die Aufnahmeprozedur kann mitunter recht lange dauern.
Bei Jörg Schweinsteiger ist das schon viele Jahre her. Der 67-Jährige ist Rotarier im Klub Potsdam Alter Markt, war vorher aber auch schon unter anderem in Bonn, Mainz, Paris oder Brüssel aktiv. „Als wir vor sieben Jahren nach Potsdam gezogen sind, war das unser 15. Familienumzug“, erzählt der pensionierte Bundeswehr-Offizier, der bei seinem Rotary-Klub als Klubmeister für das Veranstaltungsprogramm zuständig ist.
Neue Mitglieder werden bei den Rotariern gezielt angesprochen: „Das Kriterium ist Vielfalt“, erklärt Schweinsteiger, der nicht mit dem Fußball-Nationalspieler verwandt ist. Im Klub sollen möglichst viele Berufsfelder vertreten sein: vom Banker über den Rechtsanwalt, einen Abfallentsorgungsunternehmer bis zum Arzt. „Die Vielfalt ist das Pfund, mit dem wir wuchern können“, sagt Schweinsteiger. Potenzielle Neu-Rotarier werden zunächst eingeladen, einen Vortrag zu halten – meist zu aktuellen Themen aus ihrem Berufsleben. Wer damit glückt, ist für sechs Klubtreffen lang Gast, ehe über die endgültige Aufnahme abgestimmt wird: „Dabei darf es keine Gegenstimme geben“, sagt Schweinsteiger.
Bei Stefan Tilgner ist das noch nicht so lange her: Der 46-Jährige ist seit zwei Jahren Mitglied beim Lions-Klub Potsdam Sanssouci. „Ein beruflicher Bekannter hat mich angesprochen und gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte“, erzählt er. Im passenden Moment: Denn Tilgner, der als Leiter des Verbandes der privatärztlichen Verrechnungsstellen Berlin arbeitet, suchte sowohl Kontakt als auch die Möglichkeit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Mittlerweile ist er der Pressebeauftragte für seinen Klub, bestückt unter anderem auch die Internetseite mit Neuigkeiten, Fotos und Terminen.
Für die aktive Klubarbeit investieren die Mitglieder einiges an Zeit: Bei den Rotariern trifft man sich jede Woche einmal zum Essen mit anschließendem Vortrag oder zu einer Abendveranstaltung mit Exkursion, bei der auch die Lebenspartner dabei sind. Der Klub hat beispielsweise die Feuerwehr besucht oder das Einsatzführungskommando der Bundeswehr, berichtet Schweinsteiger. Hinzu kommen Wohltätigkeitseinsätze: So halfen die Klubmitglieder mit ihren Familien bei der Renovierung der Aula der Rosa-Luxemburg- Schule und halfen bei der Sicherung der Mauern auf dem Winzerberg. Aber die Klubs seien nicht nur etwas für Rentner mit Zeit, betont Schweinsteiger: Das Durchschnittsalter in seinem Klub sei 38 Jahre.
Nicht ganz so zeitaufwendig geht es bei den Lions zu: Dort sehen die Regeln immerhin noch ein Treffen pro Monat vor. Sonderaktionen wie der weihnachtliche Glühweinverkauf und die Vorbereitung des Benefiz-Weihnachtskalenders sind darin aber noch nicht eingerechnet – und hier ist viel Überzeugungsarbeit und Geduld beim Klinkenputzen gefragt.
Denn die Gelder, die die Klubs für wohltätige Zwecke ausgeben, speisen sich nicht allein aus dem Mitgliedsbeiträgen, sondern auch aus zusätzlich eingeworbenen Spenden – zum Beispiel aus dem Benefizkonzert, das alle Klubs traditionell im Sommer veranstalten und für das am 29. August Verdi-Arien in der Friedenskirche erklingen werden.
Für Stefan Tilgner hat die Klubarbeit auch mit einer moralischen Verpflichtung zu tun: „Es kann ja nicht alles der Staat regeln, jeder muss auch selber seinen Teil beitragen“, sagt der Familienvater: „Ich habe Glück gehabt, mein Leben läuft ganz gut – davon möchte ich ein Stück weitergeben.“ Aber durch den Lions-Klub habe er auch Kontakte knüpfen können – und schlicht Spaß dabei, sich gemeinsam einzubringen und zu helfen.
Das ging auch Jörg Schweinsteiger so: Bei den vielen Umzügen seien die Rotary-Klubs hilfreich beim Einleben in die neue Heimat gewesen: „Man lernt auf der einen Seite eine Menge Leute kennen und betreut Projekte und feiert Erfolge“, erzählt er: „Die Projekte machen für mich auch die Daseinsberechtigung des Klubs aus: Weil man merkt, wie gut das ankommt.“
Am 29. August laden die Potsdamer Service-Klubs gemeinsam zum Benefizkonzert „Viva Verdi“ mit vier Tenören in der Friedenskirche ein. Beginn ist 19.30 Uhr. Die Karten kosten 25, ermäßigt 15 Euro und beinhalten den Empfang nach dem Konzert. Der Erlös kommt dem Integrationskindergarten „Nuthespatzen“ zugute.
SERVICE-KLUBS
Insgesamt rund 400 Potsdamer engagieren sich in einem der zehn vertretenen Service-Klubs: Den größten Anteil machen die Rotarier mit etwa 190 Mitgliedern in drei Rotarier-Klubs aus, gefolgt von den beiden Lions-Klubs mit 80 Mitgliedern. Dem Lions-Nachwuchs-Klub Leo gehören etwa 20 Potsdamer an. Der Round Tabler nimmt nur Männer bis 40 Jahre auf, der Old Tabler die älteren Jahrgänge. Auch zwei Damen-Klubs gibt es: Inner Wheel und die Soroptimisten. Durch die Klubarbeit kommen in Potsdam jährlich rund 150 000 Euro Spenden für verschiedene Projekte zusammen, schätzt Lions-Mitglied Ulrich Huhle. Geld ging bisher unter anderem an das Hospiz auf Hermannswerder, den Integrationskindergarten, den Taubblinden-Verein des Oberlinhauses und die Rosa-Luxemburg-Schule. Gemeinsame Klub-Aktivitäten sind der Glühwein-Stand auf dem Weihnachtsmarkt, ein Benefiz-Weihnachtskalender und das jährliche Sommer-Benefizkonzert in der Friedenskirche – im vergangenen Jahr lag der Erlös dafür bei 5800 Euro. (jaha)
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