zum Hauptinhalt
Wie am Wohnheim angeklebt. Das Pub à la Pub in der Breiten Straße im nächtlichen Potsdam. Die Studentenkneipe ist meist voll, mit Studi-Ausweis kostet das Bier weniger und Lärm stört dort niemanden.

© Johanna Bergmann

Studentisches Nachtleben in Potsdam: Gut getarnt

Studenten fahren abends doch eh nur nach Berlin. Wirklich? Ein Wochenende im studentischen Nachtleben beweist das Gegenteil: Potsdam kann ganz gut feiern.

Stand:

Universitätsstadt Potsdam. Campus Golm, Campus Am Neuen Palais, Campus Griebnitzsee, dazu die Fachhochschule. Lauernd verteilen sich die Standorte um das Stadtzentrum herum, alle ein wenig ab vom Schuss. Tagsüber sieht man die Studierenden in der ganzen Stadt, fast 24 000 sind inzwischen an den Potsdamer Hochschulen eingeschrieben – aber sobald es dunkel wird, ist die Stadt erstaunlich leer. Wo sind die alle? Das Studi-Leben ist eben hart, wenn man Leistungspunkte jagen muss. Da bleibt nicht viel Zeit für ein Leben nebenbei. Höchstens am Wochenende. Dann geht es auf die Partys in Berlin, klar.

Kultiger "Länderabend" lockt sogar Berliner nach Potsdam

Wirklich? Oder hängt diese Wahrnehmung damit zusammen, dass sich studentisches Leben eher ins Suburbane des jeweiligen Campus geschlichen hat? Ein Wochenende im Potsdamer Studentennachtleben soll es zeigen. Start ist am Donnerstag, dem traditionell letzten Tag der Woche. Nur Streber und Verzweifelte betreten an einem Freitag die Uni. Der Rest pennt aus: Wer sich bis früh um 4 Uhr im Nil-Club herumgetrieben hat, hat Schlaf bitter nötig. Seit gut zwölf Jahren finden die „Länderabende“ in dem Kellerclub am Neuen Palais statt. Entstanden ist er noch draußen in Golm, aber bald ans Palais gezogen. Die „Länderabende“ sind eine recht witzige Idee: Erasmus-Studenten sollen ihr Land präsentieren, es gibt typisches Essen am Gratis-Buffet und neben der üblichen Partybeschallung auch mal etwas Landestypisches um die Ohren.

Der Abend hat mittlerweile Kultstatus und lockt – kaum zu glauben – einige Berliner nach Potsdam. Entsprechend groß ist der Andrang. Wer nicht rechtzeitig da ist, sollte ausreichend Zeit für die lange Schlange vor der Tür mitbringen. Und bloß den Studi-Ausweis nicht vergessen, sonst kommt man gar nicht erst rein. Ein bisschen prolliger sei es geworden, sagen die Großen, die von Anfang an dabei waren – aber vielleicht auch nur, weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie damals selbst so ähnlich waren.

Nil-Club: „Die Uni freut sich doch, dass wir hier so ein geiles Ding machen“

Seit 25 Jahren gibt es den Nil-Club, drinnen hat sich seitdem bis auf das Rauchverbot nicht viel verändert. Vielleicht noch die Lichtanlage, die viel bunter ist. Und das Equipment: „Wir haben gerade fette Turntables gekauft“, sagt Florian Rumprecht vom Nil-Vorstand und strahlt. Der aktuelle „Länderabend“ ist englisch-irischer, es gibt Karottenkuchen und natürlich Guinness und Bushmills, die Tanzfläche ist voll, Indie-Pop bebt.

Der Nil-Club, in einem dieser niedrigen Kellergewölbe untergebracht, die ein In-die-Luft-Springen unmöglich machen, ist ein erfolgreiches Unikat geworden: „Die Uni freut sich doch, dass wir hier so ein geiles Ding machen“, sagt Rumprecht überzeugt. „Die hätten das am liebsten auf jedem Campus.“

Dass es im Pub à la Pub lauter wird, stört keinen

Ortswechsel. Im Zentrum der Stadt, im Dreieck zwischen Landtagsschloss, Hotel Mercure und der geplanten Garnisonkirche liegt unübersehbar das Pub à la Pub, angeklebt an die Studiwohnungen in der Breiten Straße. Dass es dort auch mal etwas lauter wird, scheint keinen zu stören: Am Freitagabend legt ein DJ auf, bei der Lautstärke kann man ganz knapp noch Gespräche führen, ohne sich heiser zu schreien. „Wir arbeiten sexy – denn wir machen's ehrenamtlich“, verkündet ein Schild an der Bar. Wer zu einem Getränk kommen will, braucht Geduld. Es ist sehr voll. Ein frisches Fassbier kostet 3,90 Euro, außer für Studenten. Mit Studi-Ausweis fällt der Preis für das Halbe gnadenlos auf 2,40 Euro ab. Ein Hauch von Sehen-und-gesehen-werden, mit dem unbezahlbaren Blick durch die riesigen Fenster auf das nächtliche Potsdam. Und auf das Gebäude direkt daneben: Dort war früher das Spartacus drin, heute sitzt dort ein Fachanwalt für Erbrecht.

Spartacus: Wer zu spät kommt, riskiert es, draußen zu bleiben

Wer noch ins Spartacus will, das sich mittlerweile als Reinkarnation auf dem Freiland-Gelände an der Friedrich-Engels-Straße befindet, braucht nicht vor Mitternacht dort aufzuschlagen. Einen Abend pro Wochenende ist immer was los, manchmal auch an zweien. Dieses Mal: Freitagnacht noch überschaubares Warmtanzen für den Samstag mit Psychedelic und Goa, wie es sich für einen Electroclub gehört. Am Samstag dann die „Jump Around!“-90s-Party, 50 Kilogramm Konfetti werden verpulvert, das Zeug ist am nächsten Tag überall, in den Haaren, in den Taschen, sogar in der Unterwäsche. Auch fürs Spartacus empfiehlt sich der Studi-Ausweis: Eintrittsrabatt gibt es am Einlass. Wer zu spät kommt, riskiert es, draußen zu bleiben.

Kuze - eine studentische Bastion in der Innenstadt

Was fehlt? Natürlich das Kuze, eine studentische Bastion in der historischen Innenstadt. Der beste Tag für einen Ausflug in die Hermann-Elflein-Straße ist der Montag. Bei der „Montagskultur“ gibt es Lesungen, Theater, Vorträge oder Konzerte. In Sachen Gemütlichkeit macht dem Kuze – das mit seinem Standort fast gescheitert wäre, hätte das Studentenwerk das Areal nicht gekauft – so schnell keiner was vor. Schummriges Decken- sowie Kerzenlicht, das von zugewachsten Weinflaschen flackert: Der perfekte Ort zum Rumlungern und sich vorm Lernen drücken.

Aus den Boxen dringen die ewig jungen AC/DC, das Fassbier hier heißt „1312“ und kommt von einer Berliner Craft-Brauerei. Das Fass rebelliert jedoch, sodass erst mal „Potsdamer Stange“ serviert wird – für zwei Euro, die Limo kostet einen. Das Kuze ist ein Kleinod in einem weitläufigen Hof, aber eben auch in exponierter Lage im nächtlich dämmernden Potsdam: „Ruhe!“, leuchtet es draußen über der Tür, das Verhältnis zu den Nachbarn soll gefälligst so entspannt bleiben.

Doch, das ist schon so: Wenn man einigermaßen aufmerksam in der Stadt unterwegs ist, bemerkt man schnell, dass die vermeintliche Leichenstarre der nächtlichen Stadt eine Fassade ist, die das Nachtleben gut versteckt. Und eines ist gewiss: Die Potsdamer Studis sind überall. Man kann sie nur nicht immer sehen.

Lesen Sie weiter:

Das Potsdamer Studentenleben besteht natürlich nicht nur aus dem Nachtleben im Nil-Club, dem Kuze, dem Spartacus oder dem Pub à la Pub. Ein Überblick über weitere Angebote >>

Oliver Dietrich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })