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Landeshauptstadt: Gutachten im Fall Magnus belastet Kita

Münsteraner Rechtsmediziner: Tödlich verunglückter Junge war mindestens sieben Minuten ohne Aufsicht

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Im Fall des vor knapp einem Jahr in der Potsdamer Kita „Regenbogenland“ tödlich verunglückten Kleinkinds Magnus erhöht sich der Druck auf das Diakonische Werk Potsdam. Denn der letzte Teil eines Gutachtens des Rechtsmedizinischen Instituts des Uniklinikums Münster besagt, dass der damals 18 Monate alte Junge im Garten der Kita mindestens sieben Minuten unbeaufsichtigt mit dem Tode rang. Die Rechtsmediziner, die von Magnus“ Eltern mit dem Gutachten beauftragt worden sind, halten sogar einen Zeitraum von bis zu 20 Minuten für vorstellbar.

Das Papier widerspricht damit einer seit Monaten vorliegenden Analyse der Potsdamer Gerichtsmedizin, die von etwa drei Minuten ausging. „Welches Gutachten mehr Gewicht hat, werden wir bewerten müssen“, sagte Christoph Lange, Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft, den PNN.

Die Experten aus Münster hatten in ihrem Gutachten auch die weiteren Umstände von Magnus“ Tod untersucht. Danach hatte der Junge am 26. Juni vergangenen Jahres in einem Iglu aus Weidenästen gespielt. Dabei soll er laut Gutachter seinen Kopf zwischen zwei biegsamen Ästen hindurch gedrückt haben, um wie aus einem Fenster herauszuschauen. Offenbar passierte dann das Unglück: Die Äste schnellten zurück und drückten die Halsschlagader ab. Magnus verlor sein Bewusstsein, blieb mit der Gurgel auf einem Hanfseil hängen, welches an dem selbst gefertigten Iglu verspannt war. Diese Version des Gutachtens bestätigte gestern die Staatsanwaltschaft. Am 4. Juli 2006 war Magnus im Krankenhaus an den Folgen des Unfalls gestorben.

In dem Fall ermittelt die Potsdamer Staatsanwaltschaft gegen die ehemalige Leiterin der Kita am Hubertusdamm, die von der Diakonie betrieben wird. Die Beschuldigte Sabrina M., die inzwischen in Bayern wohnt, steht unter dem Verdacht der fahrlässigen Tötung. „Ihr Anwalt hat Akteneinsicht beantragt“, sagte Staatsanwaltschaftssprecher Lange. Auch gegen eine weitere Erzieherin wird ermittelt. Bisher schweigen beide zu dem Vorwurf. Kurz nach dem Tod von Magnus hatten Sabrina M. und die Führung der Diakonie öffentlich behauptet, das Kind sei mit seiner Bernsteinkette in dem Iglu hängen geblieben und habe sich so selbst stranguliert. Die Eltern hätten darauf bestanden, dass Magnus den Schmuck trage. Damit fühlten sich die Eltern von der Diakonie für den Tod ihres Kindes verantwortlich gemacht.

Die Eltern fordern indessen, dass die Diakonie ihren Teil der Schuld an dem Unfall eingesteht. „Es kann nicht sein, dass sich keiner für dieses vermeidbare Unglück verantwortlich fühlt“, sagte Markus Becker, der Vater von Magnus, den PNN. Er warf der Diakonie vor, die Ermittlungen zu erschweren. „Es ist nicht vertrauensbildend, wenn alle schweigen.“ Eine lückenlose Aufklärung sei „für mich und meine Frau“ eine wichtige Voraussetzung, „um Abschied nehmen zu können“. Er erwarte einen baldigen Prozess, da die wichtigsten Gutachten vorlägen. Zu einer möglichen Anklage konnte die Staatsanwaltschaft gestern noch keine Angabe machen, so ihr Sprecher Lange: „Dazu ist es noch zu früh.“

Der Leiter der Diakonie, Marcel Kankarowitsch, zeigte sich gestern auf Anfrage von den Ermittlungsergebnissen „verunsichert“. Er würde den Vorwurf, die Kette sei für Magnus“ Tod verantwortlich, nicht mehr erneuern. Schuld bei Mitarbeitern sehe er zurzeit jedoch nicht: Es habe auch keine personellen Konsequenzen gegeben. Damals seien fünf Erwachsene für 25 Kinder zuständig gewesen. Das Ausscheiden der Ex-Kitaleiterin Sabrina M. sei bereits vor dem Vorfall verabredet gewesen – sie sei aus privaten Gründen weggezogen. Das Weideniglu „als Symbol des Unglückstags“ sei inzwischen abgebaut. Vor weiteren Äußerungen wolle er das Ende der Ermittlungen abwarten. Dies habe er auch den Eltern von Magnus in einem Brief mitgeteilt, so Kankarowitsch: „So etwas darf nicht passieren – doch letztlich geht es vor allem um die Trauer über seinen Tod, als um die Frage, wer schuld hat.“

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