Landeshauptstadt: Gute Luft und Gottvertrauen
Herta Hätscher feierte 101. Geburtstag – Elona Müller-Preinesberger gratulierte
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Ein Lied wollen sie zusammen singen. Schwester Herta wünscht sich – passend zum Anlass – „Bis hierher hat mich Gott gebracht“. „Hierher“, das heißt: Der 101. Geburtstag, den die Diakonieschwester Herta Hätscher am Mittwoch gemeinsam mit Kolleginnen und Mitbewohnerinnen im Festsaal des Feierabendheims des Oberlinhauses Potsdam feierte.
In Schwesterntracht, mit der kleinen weißen Haube und ein großes silbernes Kreuz um den Hals, schaut die kleine Diakonissin aufmerksam um sich. Gebrechlich wirkt Schwester Herta nicht – als Pastor Friedrich Wilhelm Pape den Raum betritt, steht sie sogleich auf, doch Pape will nicht, dass sich die Jubilarin soviel Mühe macht: „Ab 100 darf man sitzen bleiben!“ Mit am Tisch sitzt die Diakonissin Charlotte Lange, die dieses Jahr ihren hundertsten Geburtstag feiern wird. „Ich glaube, es ist die Kontinuität und der geregelte Alltagsablauf einer Diakonissin, die für diese Langlebigkeit verantwortlich sind“, meint Schwester Birgit dazu, die selbst in der Oberlinklinik arbeitet. „Gottvertrauen ist das Wichtigste!“, meint Schwester Herta dazu.
Vielleicht ist der Grund auch ein anderer: Als die Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger herzliche Grüße von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) überbringt, verrät sie Schwester Herta, dass allein im Februar vier Potsdamer ihren Hundertsten feiern würden. „Scheint die gute Luft zu sein!“, sagt Hätscher. Da könnte etwas dran sein: Immerhin leben über 40 Menschen in Potsdam, die hundert Jahre oder älter sind.
Im Gespräch erzählt Hätscher munter von früher. Stolz berichtet sie davon, dass das Oberlinhaus sich stets schützend vor Schwache und Behinderte gestellt und seine Autonomie gewahrt habe, unter Hitler ebenso wie in der DDR. Als Matthias Fichtmüller, Pfarrer und Vorstandsvorsitzender des Oberlinhauses, in einer kleinen Rede über Hätschers Vita sagt: „In all diesen Jahren gab es auch Momente der Finsternis, wo sie nicht weiterwussten “, schüttelt Schwester Herta bestimmt den Kopf. Sie ist keine, die sich viel beklagt. Vielmehr ist es die Sorge um andere, die bei ihr weniger Beruf denn Berufung ist. Eine Diakonisse, die sie als Schülerin unterrichtet hatte, hinterließ einen starken Eindruck bei Hätscher. „Sie hat alle Fächer unterrichtet – wir mochten sie alle sehr gern.“ Kurz darauf las Hätscher in der Zeitung eine Anzeige: „Mangel an Nachwuchs in diakonischen Häusern.“ Sie bewarb sich, wurde 1921 beim Oberlinhaus angenommen und blieb dort – 63 Jahre Berufserfahrung hat sie und ist damit längst ein Teil der diakonischen Einrichtung in Babelsberg geworden. Nur ungern hat sie sich 1984 pensionieren lassen. „Sie macht eigentlich alles alleine, man muss sie manchmal ein bisschen dazu zwingen, dass sie etwas Hilfe annimmt“, sagt die betreuende Schwester Kerstin.
Das wichtigste Ereignis des Tages sind für sie die Andachten, die per Lautsprecher aus der Kapelle in alle Zimmer übertragen werden; demnächst soll auch eine Kameraübertragung eingerichtet werden. In der Wohnanlage sitzt sie oft an der Sprechanlage und lässt Besucher ein. Nur den Boden wischen oder auf Leitern steigen hat man ihr verboten, dabei würde sie gern mehr tun. Aber „man darf nicht meckern“, meint Hätscher lakonisch. Erik Wenk
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