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Florencia Hurtado ist eine von vier Potsdamer Filmhochschülern, die für „First Steps“ nominiert sind

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Erst die Fragen, dann der Kaffee. Florencia Hurtado ist in Eile, sie hat nur eine Stunde Pause. Dann muss sie zurück an die Technische Universität in Berlin, um Studenten Spanisch beizubringen. Der Job als Spanischlehrerin ist notwendig. Vom Filmemachen kann die gebürtige Mexikanerin nicht leben – auch wenn sie jetzt Diplom-Regisseurin ist.

Für ihren Abschlussfilm an der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) wurde sie für den deutschen Nachwuchspreis „First Steps“ nominiert. Die „First Steps“-Jury, zu der dieses Jahr auch die Potsdamer Schauspielerin Nadja Uhl gehört, hat sich 217 Filme angesehen: 46 Werbespots, 43 Dokumentarfilme und 128 Spielfilme – auch den 60-Minüter „Haiku“ von Florencia Hurtado.

Ein märchenhafterFilm über Einsamkeit und Mut: Barbara Schnitzler vom Deutschen Theater in Berlin spielt eine Frau Anfang 50, alleinstehend. Sie schwärmt heimlich für ihren Nachbarn, beobachtet ihn ständig vom Balkon ihrer Berliner Altbauwohnung, wagt aber nicht, ihn anzusprechen. Eine typisch deutsche Geschichte? Nein: „Diese Dinge, die ich erzähle, könnte man auch woanders erzählen“, sagt Florencia Hurtado. Sie spricht ein melodiöses Deutsch mit langgezogenen Vokalen, das rauh und weich zugleich klingt. Sie hat ihr langes dunkles Haar hinter die Ohren geschoben und sich neben ihre Umhängetasche in einen der Cafésessel gesetzt. Ihre Hände flattern beim Erzählen durch die Luft, die Eile scheint vergessen.

Die Protagonistin des Films sei auch angelehnt an Frauen, die sie aus Mexiko kenne. Von ihrer 50-jährigen Tante zum Beispiel, die immer großen Eindruck auf sie gemacht habe und seit 13 Jahren allein lebt. Erst nach und nach sei ihr klar geworden, „dass das noch kein Alter ist, um Partnerschaft nicht mehr zu leben“, erklärt Florencia Hurtado.

Die Tochter eines Architekten und einer Theaterdramaturgin, folgte vor zehn Jahren ihrer damaligen Liebe aus Mexiko nach Deutschland. In Mexiko-City hatte sie bereits zwei Jahre Filmregie studiert, in Deutschland arbeitete sie erst einmal als Kindermädchen und Regie- und Schnittassistentin, lernte Deutsch und Fahrrad fahren. Über ihre ersten Jahre in der neuen Heimat drehte sie 2002 einen Dokumentarfilm, der auf mehreren Filmfestivals und bei 3Sat lief. Nun ist die 33-Jährige eine von vier HFF-Studenten, die für den „First Steps“-Preis infrage kommen – neben Heiko Aufdermauer für seinen Spielfilm „Zeit der Fische“, Maja Classen für den Dokumentarfilm „Osdorf“ und Schauspielstudentin Luise Berndt für ihre Rolle in „Jagdhunde“ von HFF-Absolventin Ann-Kristin Reyels. „Wir sind eben ein guter Jahrgang“, sagt die Regisseurin und lacht.

Ihr Studium habe ihr gefallen – außer, dass die Studenten zu viel schreiben mussten und zu wenig drehen konnten. Aber die HFF bemühe sich schon sehr, den Studierenden zu ermöglichen, Filme zu machen, mit denen sie sich präsentieren können. Auch werde dabei geholfen, Kontakte zu Produktionsfirmen und Fernsehsendern zu knüpfen.

Für „Haiku“ hat Florencia Hurtado sogar gemeinsam mit ihrer Professorin die Kataloge der Castingagenturen durchgeblättert. Als sie das Foto von Schnitzler sah, wusste sie: „Sie ist es.“ Als sie dann am ersten Drehtag neben Barbara Schnitzler am Set stand, war die junge Regisseurin sehr nervös: „Nicht nur, weil sie eine renommierte Schauspielerin ist. Sie ist eine Dame und tritt auch so auf.“ Dennoch sei sie sehr offen gewesen.

„Haiku“ ist im Dezember im Fernsehen gelaufen – nachts um eins beim RBB, der den Film koproduziert hatte. Florencia Hurtado saß zusammen mit ihrer Katze und ihrem Mitbewohner auf ihrem Berliner WG-Sofa und hat ihn sich angesehen. „Ein gutes Gefühl“, sagt sie. Trotz der späten Uhrzeit, zu der die meisten Menschen schlafen und auch trotz all der Dinge, die sie im Nachhinein am liebsten doch anders gemacht hätte.

Der Film sei 2006 in elf Monaten unter enormen Druck entstanden: „Es ist ja der letzte während des Studiums – da will man schon, dass es der einzige, schönste und beste Film von einem ist.“ Kommenden Dienstag wird in Berlin einer der wichtigsten Nachwuchs-Preise der deutschen Filmbranche vergeben. Ob Florencia Hurtado dann tatsächlich einen der mit 10 000 bis 25 000 Euro dotierten Preise erhalten wird? Zweitrangig. Die Nominierung sei eine Bestätigung. „Denn der Film läuft ja nirgendwo, weil er 60 Minuten lang ist, also wegen des Formats.“ Die Studentin nimmt das trotzdem sehr persönlich. „Dass er jetzt nominiert ist, gibt einem etwas zurück von der Arbeit und der Liebe, die man hineingesteckt hat.“

Vor allem aber sei die Nominierung eine gute Reverenz, ein Anschub für die nächsten Projekte. Zusammen mit Studienkollegin Lena Kammermeier, der Drehbuchautorin von „Haiku“, hat sie gerade ein neues Exposee geschrieben. Die beiden wollen sich jetzt eine Produktionsfirma und einen Fernsehsender suchen.

Endlich bestellt sich die Regisseurin einen Kaffee. Zum Mitnehmen. Denn sie muss zurück zum Unterricht.

Juliane Wedemeyer

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