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Lecker, preiswert und gesund? Geht alles, sagt Koch Ronny Pietzner (l.). Nur wissen wie das geht, wollten nur wenige.

© Andreas Klaer

Workshop: Gutes Schulessen – wen interessiert es?

Gutes Essen für Kinder: Ein Koch will zeigen, wie’s geht und stößt auf Desinteresse. Zu dem Workshop „So schmeckt Schulverpflegung“ auf Hermannswerder kommen aber nicht einmal zehn Interessierte.

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Poptsdam - Restaurantkoch Ronny Pietzner schnippelt blitzschnell Möhren zu Spaghetti und Bandnudeln. Damit ließen sich seiner Meinung nach auch die Gemüsehasser unter den Kindern bezaubern. Für 80 Leute haben er und sein Team Essen vorbereitet. Pietzner, Restaurantinhaber in Kleinmachnow, will zeigen, wie man selbst in einer Großküche gutes Essen zubereiten kann. Und dann das: Zu dem Workshop „So schmeckt Schulverpflegung“ auf Hermannswerder kommen aber nicht einmal zehn Interessierte. Von den Potsdamer Schulen ist niemand dabei. Dabei hatte die Verwaltung alle Schulen informiert. Im besten Fall liegt es an der ebenfalls am Donnerstag stattfindenden Personalversammlung für Lehrer in Brandenburg. „Es ist schon ärgerlich, alle meckern und diskutieren über das Thema und keiner kommt zu so einer Veranstaltung“, sagt Pietzner. Bei dem Workshop werden neben Pietzners Kochaktion auch Vorträge zu neuen Produktionsmethoden vorgestellt. Aber von den Caterern ist nur Ausrichter Wilafim da, die die Kantine der Hoffbauer-Stiftung betreiben. Sodexo, deren Essen vor wenigen Wochen in Ostdeutschland Hunderte Kinder Magenprobleme zu verdanken hatten, ist nicht da.

Eine gute Schulverpflegung ist wichtig – darin ist man sich stadtweit einig. Doch das Engagement der Stadt, sie zu verbessern, scheint ins Leere zu laufen: So hat Potsdam bereits im vergangenen Schuljahr Hinweise für mehr Qualität der Schulspeisung erarbeitet und in einem Bericht an alle Schulen in städtischer Trägerschaft verteilt. „Bisher haben die Schulkonferenzen wenig von den dort erarbeiteten Empfehlungen angenommen“, sagt Jan Brunzlow, Pressesprecher der Stadt. Vor einer Woche nun hat die Stadt einen neuen Anlauf unternommen. Alle Schulen haben einen Fragebogen zur Qualität des Essens erhalten. Grund ist der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung Mitte November, die Stadt solle die Förderung von regionaler Versorgung prüfen. Zudem hatte CDU-Kreischefin Katherina Reiche eine Umfrage unter den Schulen gefordert.

Auf der von dem Deutschen Netzwerk Schulverpflegung e.V. (DNSV) am Donnerstag durchgeführten Veranstaltung zeigt sich, wie hoch der Nachholbedarf in Sachen guter Schulküche ist. „Nach wie vor stehen wir vor der Aufgabe, Wissen zu vermitteln“, sagt DNSV-Vorsitzender Michael Polster. Seit mehr als einem Jahrzehnt werde in Skandinavien oder Italien das Cook-and-Chill-Verfahren angewendet, bei dem Gekochtes innerhalb kurzer Zeit nährwertschonend auf drei Grad gekühlt und so garfrisch wieder erwärmt werden kann. Hierzulande stößt es größtenteils auf Ablehnung. Chefkoch Pietzner kann sich auch nicht erklären, weshalb Eltern und Schulen die Produktionsmethode oft nicht annehmen wollen. „In Großküchen ist es wichtig, die Nährstoffe und den Geschmack zu erhalten.“

Auch der Hoffbauer-Caterer Wilafim ärgert sich über das Desinteresse an neuen Verfahren: „So oft wird hier in der Stiftung mehr Qualität gefordert, aber niemand ist gekommen, um sich zu informieren und die Geräte anzuschauen“, sagt Bereichsleiter Frank Niederstraßer. Natürlich sei mehr Qualität nicht für umsonst zu haben. Auch eine Umstellung der Küche auf die Cook-and-Chill-Methode ist mit Investitionen verbunden.

Dass gutes Essen mehr Geld kosten muss, fordert inzwischen die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheres (SPD). Ihr Konzept zum Schulessen, das sie nach dem Sodexo-Skandal erarbeitete, sieht vor, dass in Ausschreibungen ein Festpreis von 3,25 Euro für Grundschulessen und von über vier Euro im Oberschulbereich vorgegeben ist. Nur so lässt sich nach Meinung Scheeres der Preiskampf zwischen den Cateren verhindern, der zulasten der Qualität geht. Eine Vereinheitlichung des Preises findet auch Pietzner „äußerst sinnvoll“. In der Vergangenheit hätten zu oft Caterer mit Dumping-Angeboten den Marktpreis kaputt gemacht.

Potsdam hingegen sieht einen vorher festgelegten Essenspreis in den Caterer-Ausschreibungen nicht vor. „Von welchem Caterer und zu welchen Preisen die Schulen versorgt werden, bestimmt die jeweilige Schulleitung nach Abstimmung in den Schulkonferenzen“, so Stadtsprecher Brunzlow. Das heißt, die Schule muss nicht den billigsten Caterer nehmen. Sie kann auch andere Kriterien wie Regionalität geltend machen. Doch das Gerangel der Caterer um den Preis kann so nicht unbedingt verhindert werden.

CDU-Kreischefin Reiche geht das nicht weit genug. Sie verweist auf das Vorbild Berlin und sagt, die Qualität des Schulessens könne auch in Potsdam nicht besser, gesünder und regionaler werden, ohne dass auch der Preis steigt. So ehrlich, sagt sie, müsse man sein. Die Politik müsse das offensiv vertreten.

Berlin will außerdem die Mitspracherechte der Eltern stärken. Im Schulgesetz sollen Essensausschüsse festgeschrieben werden. Deren Votum für oder gegen einen Caterer „muss mit hoher Priorität Berücksichtigung finden“, so Scheeres. Dass Eltern eine wichtige Rolle spielen, findet auch Polster vom DNSV: „Wenn wir die Eltern nicht mobilisieren, dass sie Druck machen, dann wird sich das Thema Schulverpflegung totlaufen“, glaubt er.

Eltern waren übrigens auch eingeladen zum Workshop. Lediglich der Sprecher des Kreiselternrats Havelland, Burkhard Meyer zu Natrup, kam. Eigentlich schwebt ihm für seine Stadt Falkensee ein zentraler Versorger im Ort, eine Großküche, die auch die Verwaltung beliefern könnte, vor. Aber auch von dem Cook- and-Chill-Verfahren ist er angetan, als er probiert, was Pietzner gekocht hat: „Wenn das so schmeckt, dann können wir das auch nehmen“, sagt er und löffelt weiter an seiner Kokos-Linsen-Suppe. (mit pet)

Grit Weirauch

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