Landeshauptstadt: Gysi verurteilt linke Gewalt
Verfahren gegen Julia S.: Geschlagener Neonazi kann Täter nicht identifizieren
Stand:
Im Zusammenhang mit dem derzeit laufenden Antifa-Prozess vor dem Landgericht gegen Julia S. und vier weitere Angehörige der linken Szene Potsdams hat sich Gregor Gysi, Bundestagsfraktionschef der Linkspartei und einer der Verteidiger in dem Verfahren, deutlich von antifaschistisch motivierten Übergriffen auf Rechtsextreme distanziert: „Jemanden niederzuschlagen ist nicht links – links sein bedeutet, die Welt sozialer und gerechter gestalten zu wollen.“ Nach einem gewalttätigen Angriff auf einen Rechtsextremen werde dieser sein Weltbild nicht ändern: „Er bleibt rechts.“
Gleichzeitig übte Gysi Kritik am Verhalten der Potsdamer Staatsanwaltschaft in dem Verfahren: „Sie hat überzogen reagiert“, sagte Gysi am Donnerstag Abend bei einer Veranstaltung in Potsdam. Mit so einer harten Vorgehensweise sei das Problem der Gewalt zwischen Jugendlichen nicht lösbar. In der Nacht des 19. Juni 2005 sollen die Angeklagten den damals 17-jährigen Neonazi Benjamin Oe. unter anderem mit einem Teleskopschlagstock am Kopf verletzt haben. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin Ermittlungen wegen versuchten Mordes aufgenommen. Julia S., die zur Tatzeit einzige Volljährige der beschuldigten Gruppe, hatte deswegen fünf Monate in Untersuchungshaft gesessen. Wie die anderen Beklagten bestreitet sie die Vorwürfe.
Unterdessen hat diese Woche in dem Prozess, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, das Opfer Benjamin Oe. ausgesagt – und konnte dabei laut Verteidigerin Martina Arndt die Beschuldigten nicht als die damaligen Angreifer identifizieren. Erst später habe er drei der Angeklagten am Tatort beim Nauener Tor stehen sehen – sei jedoch wegen seiner Platzwunde am Kopf abgelenkt gewesen. Als ebenso eher entlastend für die Angeklagten wertete Anwältin Arndt die Aussage einer Berliner Polizistin, die Hauptbelastungszeugin der Staatsanwaltschaft, die zum Tatzeitpunkt zufällig im Café Heider gesessen hatte. „Sie hat keine echte Erinnerungsleistung erbracht“, so Arndt. Allerdings habe die Polizistin laut anderen Prozessteilnehmern Julia S. und zwei weitere Angeklagte trotz ihrer damaligen Vermummung wiedererkannt. Jedoch sollen sich einige ihrer Aussagen mit früheren Angaben widersprochen haben, hieß es. Nun soll die Polizistin zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal geladen werden.
Ein weiteres Thema dieser Woche war die rechtsradikale Gesinnung von Benjamin Oe.: So nahm er vergangenen Samstag am Rudolf-Hess-Gedenkmarsch in Berlin teil und trug dabei ein T-Shirt der militant rechtsextremen „Anti-Antifa Potsdam“. Zudem ist der jetzt 18-Jährige unter anderem wegen Volksverhetzung und Körperverletzung verurteilt worden. Kurz vor dem Angriff auf ihn soll er bei einem Übergriff auf zwei linke Jugendliche in einer Straßenbahn zumindest anwesend gewesen sein. Henri Kramer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: