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Landeshauptstadt: Haben Sie auch alles bekommen?

Keine Übung, voller Ernst: Im Kaufland Am Moosfenn schmeißen 110 Azubis für vier Wochen den Laden

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Keine Übung, voller Ernst: Im Kaufland Am Moosfenn schmeißen 110 Azubis für vier Wochen den Laden Von Guido Berg Sabrina Seeger ist im ersten Lehrjahr und Pressesprecherin. Stefan Schindler, vom Typ her Basketballspieler mit Jungengesicht, ist sogar Hausleiter. Er ist der Chef von Mike Hallier. Auf dessen Namensschild steht „WBL-Non-Food“ – Warenbereichsleiter für Industriewaren oder einfach gesagt, er ist zuständig für alles, was man im Kaufland am Moosfenn in der Waldstadt sehr wohl kaufen, aber nicht essen kann. Die meisten der derzeit sehr jugendlich anmutenden Servicekräfte in den roten Kaufland-T-Shirts sind aber einfach MA – Mitarbeiter. Sie füllen die Regale auf, sitzen an der Kasse oder wuseln im Warenlager. Sabrina Seeger will professionell sein, schnell findet sie ein ruhiges Eckchen zum Pressegespräch, ruhig und sachlich erklärt sie die Was-Wann-Wo-Fragen: Am 30. Mai startete das Auszubildenden-Projekt im Waldstadt-Kaufland. 110 Azubis aus Brandenburg und Berlin erledigen vier Wochen lang alle Arbeiten im Supermarkt, von der Warenannahme bis zur Abrechnung – und das im Drei-Schichtsystem. Mittlerweile läuft die zweite Woche, in der ersten „haben wir das gestellte Umsatzsoll übertroffen“, vergisst sie nicht zu erwähnen. Sie hat auch die kleinen Kärtchen zur Hand, auf denen die Kunden darlegen, wie ihnen das Azubi-Projekt gefällt. „Tolle Idee“ finden fast alle, einer notierte: „Schöne Frauen verschönern den Morgen“. Ein anderer schrieb: „Es macht Spaß zuzusehen, wie die jungen Leute den Laden schmeißen.“ Aber, macht es denen auch Spaß? Die junge Berlinerin bejaht, sagt, dass sie viel lernen könnten. Doch „es ist richtiger Ernst, das wahre Leben“, denn die ursprünglichen Mitarbeiter vom Moosfenn sind alle im Urlaub oder helfen anderswo aus. Die Lehrlinge bekommen später eine Beurteilung, geschrieben von den Chefs aus der eigenen Altersgruppe – die Führungskräfte-Azubis machen den MA-Azubis die Beurteilungen. Sie drücken dabei kein Auge zu: „Wenn einer die vier Wochen nur Mist gebaut hat, kann ich ihm keine gute Beurteilung geben“, erklärt Mike Hallier, der Chef für alles Unessbare. Die drei Jung-Hausleiter werden dagegen von dem richtigen Hausleiter beurteilt, der aber im Hintergrund bleibt. „Nur wenn die Luft brennt, können wir zu ihm gehen“, sagt Sabrina Seeger. Um 12.55 Uhr verdoppelt sich wie auf ein Signal die Zahl der Azubinen an den Kassen. Sie tragen Stapel von Kaufland-Tüten herbei, machen alles klar für die Aktion „Jetzt schlägt''s 13“, die einstündige Einpack-Aktion für die Kunden. Einige scheinen ob der über sie herein brechenden Service-Lawine irritiert, packen ihre Waren lieber selbst ein. „Die meisten reagieren aber positiv“, versichert Katharina Hecker. Ihre MA-Kollegin Jennifer Kretschmann macht derweil eine Kundin auf eine beschädigte Verpackung aufmerksam. Die meint perplex, das sei ja gar nicht so schlimm. Jeder Gast wird von Jennifer Kretschmann mit der Frage empfangen: „Habe Sie auch alles bekommen?“. Nein, Führungskraft wolle sie gar nicht sein, als einfacher MA sei die Arbeit viel schöner. Katharina Schwarz sitzt auch an einer Kasse, sie verrät, „ich wäre schon gern WBL“. Über die Motivation sagt Pressesprecherin Sabrina Seeger soviel: Bei einem guten Abschluss ist einem die Übernahme sicher. Zudem suche sich Kaufland die Leute für die Führungspositionen aus dem eigenen Nachwuchs aus. Im Warenlager wird zugepackt, ein Laster mit Getränkepaletten muss entladen werden. Der Fahrer will nicht länger warten als sonst auch. Die Azubis bewegen die Gabelstapler wie die alten Hasen, den Schein hierfür haben sie extra auf Kaufland-Kosten machen können, erklärt Stefan Schindler, einer der drei Jung-Hausleiter, die sogar einem WBL sagen dürfen, wo es lang geht. Oliver Schenk etwa, in einem kleinen Kabuff mit Fenster zum Warenhalle gibt er zusammen mit zwei MAs die Wareneingänge in den Computer ein. Wenn die Presse da ist, halten aber alle gern mal inne, riskieren einen Blick. „Hej, stellt euch in den Pausenraum, wenn ihr irgendwo rumstehen wollt“, stellt Schindler seine Führungskraft unter Beweis.

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