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Landeshauptstadt: Haftstrafe nach Gewaltexzess

Amtsgericht verurteilte 49-jährigen Potsdamer: Er hatte seine Lebensgefährtin tagelang schwer misshandelt

Stand:

Drewitz – Als Sonja B. (*alle Namen geändert) beim Spaziergang mit ihrem Hund ihre Mutter sah, erkannte sie die 49-Jährige nicht wieder. Das Gesicht von Helga B. war geschwollen, grün und blau geschlagen. Später zeigte die Mutter ihrer 26 Jahre alten Tochter noch weitere Verletzungen: 23 Brandwunden von ausgedrückten Zigaretten, weitere großflächige Verbrennungen an der Brust, am Oberschenkel und im Genitalbereich, blaue Flecken nach Schlägen und Tritten am gesamten Körper. Das alles schilderte Sonja B. am Mittwoch im Amtsgericht. Wenige Stunden später wurde der Mann, der ihre Mutter nach Überzeugung des Gerichts im Januar dieses Jahres über Tage hinweg grausam misshandelt hat, wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

Der Mann heißt Karl F., ist wie Helga B. 49 Jahre alt, saß zu DDR-Zeiten wegen eines Fluchtversuchs in den Westen jahrelang im Knast und rutschte nach seiner Arbeitslosigkeit 2008 mehr und mehr in den Alkoholismus. Bei einer Alkoholentgiftung lernte er Helga B. kennen. Doch das Pärchen wurde rückfällig, trank wieder regelmäßig Schnaps – und ab dem Oktober 2011 begann Karl F. gewalttätig zu werden. Ohne Anlass habe ihr Freund sie damals mit einem Schlüsselbund ins Gesicht geschlagen, sagte Helga B. am Mittwoch. Sonja B. sagte vor Gericht, schon im Herbst habe sie ihre Mutter gewarnt: „Wer einmal schlägt, schlägt immer.“

Doch Helga B. blieb bei Karl F. – und die Übergriffe in ihrer Wohnung in einem Drewitzer Plattenbau wurden heftiger. Im Winter habe die Polizei mehrmals wegen diverser Tätlichkeiten gegen seine Mutter kommen müssen, sagte der 30-jährige Sohn von Helga B. Eine einstweilige Verfügung gegen Karl F. sei aus Mangel an Beweisen gescheitert. Und aus der Wohnung schmiss Helga B. den Mann auch nicht: „Wir hatten Zukunftspläne.“

Vor Gericht ging es vor allem um die Zeit vom 19. bis 23. Januar. Stockend berichtete die Bankangestellte, wie sie und ihr Lebensgefährte an diesen Tagen mehrere Flaschen Schnaps tranken, Essen nahmen sie nicht mehr zu sich. Als der Alkohol ausging, hätten sie einen Taxifahrer gebeten, neuen zu besorgen. Telefon und Handy seien ausgeschaltet gewesen.

Zwischendurch wurde Helga B. mehrfach malträtiert. Beispielsweise habe Karl F. ihr am 21. Januar, ein Samstag, plötzlich Zigaretten auf dem Körper ausgedrückt, als sie nebeneinander im Bett lagen. „Geschrien habe ich nie“, sagte Helga B. der Richterin. Am Sonntag – sie saßen in der Küche – habe er ihr erst das T-Shirt und dann den Slip mit einem Feuerzeug angezündet. Die Brandwunden seien heute vernarbt, so die Frau. Später habe Karl F. sie in die Badewanne gestoßen und auf ihr uriniert. Doch erst am Montag wurde sie von ihrer Tochter gefunden. „Ich hatte nicht den Mut, vorher den Arzt zu rufen“, sagte Helga B. Am Montagmorgen sei sie sogar noch einmal in eine Kaufhalle gehumpelt und hätte neuen Schnaps gekauft. Passanten habe sie dabei aber nicht ansprechen wollen, so die 49-Jährige: „Wir wohnen in Drewitz – ich glaube nicht, dass jemand geholfen hätte.“ Am Anfang der zweitägigen Gerichtsverhandlung hatte Karl F. seine Schuld eingeräumt und Reue bekundet, aber auch erklärt, er könne sich an die einzelnen Taten nicht erinnern: „Ich habe einen Blackout.“ (PNN berichteten)

In seinem Plädoyer zeigte sich Staatsanwalt Peter Petersen erschüttert. So eine Geschichte würde aus den Folterkellern des Assad-Regimes in Syrien erwarten – aber nicht aus der Landeshauptstadt. Richterin Birgit von Bülow sagte, Karl F. habe beim Anzünden der Kleidung von Helga B. deren Leben gefährdet: Dass die Verletzungen am Körper der Frau nicht noch schwerer ausgefallen seien, „ist ein Wunder“. Der von Karl F. angegebene Blackout – über Tage hinweg – sei eher ein Zeichen, dass die Tat verdrängt werde. So bleibe das genaue Motiv der Tat unklar. Noch während der Haftstrafe muss Karl F. nun in den Maßregelvollzug – und dort eine Entziehungskur machen. Richterin von Bülow: „Wenn jemand so entgleist, ist er eine tickende Zeitbombe.“

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