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Landeshauptstadt: Haftstrafe trotz weniger Beweise

Urteile im Marquardt-Prozess: Zehn Monate Gefängnis, Geld- und Bewährungsstrafen, aber auch Freisprüche

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Marquardt - Überraschung im Potsdamer Amtsgericht: Trotz offensichtlicher Ermittlungspannen und wenigen belastbaren Beweisen hat Amtsrichterin Constanze Rammoser-Bode gestern so nicht zu erwartende Urteile zum nächtlichen Überfall auf eine Hochzeitsgesellschaft im Sommer 2006 in Marquardt gefällt – die Strafen liegen zum Teil über den Anträgen der Staatsanwaltschaft.

So verurteilte sie den 27-jährigen Holger W. wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu zehn Monaten Gefängnis, da er bereits doppelt unter Bewährung stand. Meik W. und Mike S. erhielten aus dem selben Grund Haftstrafen von acht und neun Monaten, jedoch auf Bewährung. Zudem müssen sie 200 Arbeitsstunden in sozialen Einrichtungen ableisten. Nach Auffassung des Gerichts sollen sie zusammen mit Holger W. die drei alkoholisierten Männer sein, die nach einem Dorffest in der Nacht zum 2. Juli zum Marquardter Schloss zogen und eine dort feiernde Hochzeitsgesellschaft erst „provozierten, einzelne Gäste schubsten und schließlich zuschlugen“, so Rammoser-Bode. Dabei erlitten zwei Gäste mittelschwere Verletzungen, darunter ein Trommelfellriss nach einem Schlag. Die Anwälte von Holger W. und Mike S. hatten Freisprüche aus Mangel an Beweisen verlangt. Der Anwalt von Meik W. forderte eine Geldstrafe wegen einfacher Körperverletzung – auch, weil sein Mandant der einzige Angeklagte ohne Vorstrafen sei. Ob Revision gegen die Urteile eingelegt wird, blieb gestern offen.

Ohne Verurteilung konnte dagegen das Brüderpaar Andy und Sven C. den Gerichtssaal verlassen. Beide hatten nach Meinung der Richterin „glaubwürdige“ Alibis dafür, sich nicht am zweiten Teil des Überfalls beteiligt zu haben. Denn nach dem ersten Angriff, bei dem die Hochzeitsgesellschaft die Männergruppe zunächst abgewehrt hatte, trafen Minuten später 15 bis 20 weitere, offenbar angriffsbereite Personen am Schloss ein. Die Hochzeitsgesellschaft verbarrikadierte sich innen, während draußen die Terrasse verwüstet wurde. Ob dabei auch Meik W., Holger W. und Mike S. mitmachten, konnte das Gericht nicht feststellen. Allerdings verurteilte es René B. wegen Sachbeschädigung zu 900 Euro Strafe. Ihn wollen mehrere Zeugen aus der Hochzeitsgesellschaft erkannt haben.

Die Aussagen von 25 Zeugen waren die einzigen Beweismittel während des mit neun Verhandlungstagen langen Verfahrens, das im September begann. In ihren Plädoyers kritisierten Verteidigung und Staatsanwaltschaft gestern die Ermittlungen der Polizei. „Es gab keine brauchbaren Lichtbildvorlagen“, nannte Staatsanwalt Carsten Krause ein fehlendes Beweismittel. Deswegen habe er auch einen Freispruch für Mike S. gefordert – den Richterin Rammoser-Bode jedoch verurteilte. Auch die Verteidiger kritisierten die Polizei. Schon erste Zeugenbefragungen hätten sich über „Wochen und Monate hingezogen“, so Veikko Barthel, Anwalt von Holger W. Er erinnerte an die Aussage einer Polizistin vor dem Amtsgericht, dass mit den Ermittlungen erst begonnen wurde, „nachdem die Sache in der Zeitung stand“. Zudem sei bereits ein Teil der Bänder gelöscht gewesen, auf denen die abgehenden Polizeinotrufe der entsprechenden Nacht aufgezeichnet wurden. Aus seiner Sicht seien die Ermittlungen „untauglich“, so Bartel. Weitere Anwälte monierten die fehlende Spurensicherung vor Ort. Eine Polizeisprecherin wollte gestern gegenüber den PNN zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen und verwies auf das laufende Verfahren bis zur Rechtsgültigkeit des Urteils.

Zum Motiv der Tat brachte die Verhandlung wenig Erhellendes. In seinem Plädoyer sprach Staatsanwalt Krause von einer Mischung aus „Fremdenhass und Sozialneid“. Nach dem Fall war von einem rechtsradikalen Motiv die Rede, weil die Täter riefen, dass „die Fremden“ aus „ihrem Dorf“ verschwinden sollten.

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