Von Jan Brunzlow: Halbzeit
Wolfgang Hadlich hatte am Montag seinen letzten Arbeitstag / Jakobs’ Büroleiter wechselt zu Töpfer
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Eines Tages fragte ihn der Anrufer vom Betriebsrat, ob er verrückt sei. Die Aufgabe sei ja toll, aber Wolfgang Hadlich hatte gerade zum zweiten Mal innerhalb der Potsdamer Verwaltung seinen Job gewechselt und dafür seinen unbefristeten Angestelltenvertrag aufgegeben. Ob er sich das gut überlegt habe, wollte der Betriebsrat wissen. Hatte er. Das war vor sechs Jahren, als Hadlich den Job von Wieland Eschenburg übernahm und Leiter des Oberbürgermeisterbüros wurde. Jetzt hat ihn die Zeit eingeholt, die Endlichkeit des Vertrages ihn erreicht. Hadlich sitzt auf seinem Stuhl und blickt in den Raum. Zum letzten Mal, denn er wechselt zum neuen Klimaforschungsinstitut „Institute for Advanced Sustainability Studies“ in der Berliner Vorstadt, das von Professor Klaus Töpfer geleitet wird. Seinen Wechsel aus der städtischen Verwaltung nennt Hadlich „Halbzeit“.
Sein Büro wirkt aufgeräumt. Kein Wunder, viele Akten und das Arbeitsmaterial sind inzwischen in anderen Zimmern des Rathauses untergebracht oder bei Hadlich zu Hause. Ein von Chris Hinze gemaltes Bild hängt noch an der Wand seines Büros, ein Plakat von der Grundsteinlegung der Garnisonkirche klebt an der Tür. Nichts aufregendes. Hadlich sitzt an seinem kleinen Konferenztisch und sagt, „in dem Posten ist man in der Verwaltung nicht immer beliebt“. Seine Aufgaben war es, Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu liefern, Abstimmungen vorzunehmen und wenn es nötig war, auch mal Dinge innerhalb der Amtsstuben deutlich zu klären. Fast sechs Jahre hat er von seinem schwarzen Sessel aus die Geschicke der Stadt mitbestimmt, nicht immer ohne kritisch betrachtet zu werden. Er stand immer hinter Jakobs, aber er war für einiges Urheber, das Jakobs nach außen hin vertreten hat. So auch für eine offizielle Grußkarte an Hermann Wohlgethan zum 100. Geburtstag, einem alten Mann in einem Altersheim, so wie er es jedes Mal bei einem solchen Jubiläum macht. Doch die Sache ging nach hinten los. Wohlgethan war ein Richter in der DDR, hat politisch verfolgte Menschen verurteilt und das letzte Todesurteil der DDR gesprochen. Eine Gratulation der Stadt hielten Historiker daher für unangebracht – die Kommunalpolitik ebenfalls – bis auf die Linken. Doch so viel kann er nicht verkehrt gemacht haben, immerhin ist Jakobs erst vor kurzem mit deutlicher Mehrheit in der Stichwahl wiedergewählt worden. Ausgerechnet nach dem Erfolg hört er auf.
Aber warum geht er nun? Es sei die Einsicht gekommen, „dass das Leben nicht endlos ist und es an der Zeit ist, etwas Neues zu tun“, sagt Hadlich. 45 Jahre ist er alt, für den Fußballfan – er sympathisiert als Westfale mit Schalke 04 – ist damit die erste Halbzeit beendet. Aber auch im Arbeitsleben sei Halbzeit, sagt Hadlich. Er hat jetzt etwas mehr als zwanzig Jahre gearbeitet und noch etwas mehr als zwanzig Jahre vor sich. Er gehe lieber direkt nach der Wahl, damit der neue Büroleiter Dieter Jetschmanegg mit Beginn der neuen Amtszeit von Jakobs die Arbeit übernehmen könne und es später keine Zäsur gebe.
Hadlich bilanziert die Jahre, derer es inzwischen fast 15 sind. Anfang 1996 kam er nach Potsdam in die Verwaltung, als Jurist fing er im Stadtplanungsamt an. Seine Zwillinge waren damals gerade geboren, sein erstes Kind drei Jahre alt. Als er nach Potsdam kam, gab es den alten Bahnhof noch, die Innenstadt war noch grau, die Seitenstraßen dunkel, der Standort der Wilhelmgalerie eine Baugrube. Eines hat ihm aber von Beginn an in der Stadt gefallen. „Man redet hier sehr viel miteinander“, sagt Hadlich. Dies sei so geblieben, obwohl der „Wechsel der Bevölkerung die Gemeinschaft auf eine Belastungsprobe“ gestellt habe. Aber er kann nicht jede Kritik in der Stadt gelten lassen, sagt er. in manchen Angelegenheiten seien die Potsdamer auch zu verwöhnt.
Seinen Fahrweg nach Hause beschreibt er als Spiegel der Gesellschaft. Am Vormittag ein Dorffest in Fahrland, am Nachmittag der Christopher Street Day in Berlin. Am nächsten Tag eine Diskussion über die Integration von Mitbürgern, dann der Heimweg mit Fahrrad und Bahn durch die barocke Innenstadt zum Bahnhof Zoo und in sein Viertel Moabit. Er mag diese Kontraste, sagt er.
Wie es sich beim Abschied nehmen gehört, werden Höflichkeiten ausgetauscht. Hadlich bewundert Jakobs für dessen Pensum und wie der den „unheimlichen Druck aushält, unter dem er arbeitet“. Und Jakobs sagt, er verliere „einen wichtigen Berater“. Er hatte Hadlich gerne in den nicht öffentlichen Ring geschickt, wenn es Konflikte gab. Denn Hadlich hatte ein Fernstudium der Mediation an der Uni in Hagen absolviert. Eine Überlebenshilfe, denn Konflikte gab und gibt es in der Stadt immer zu lösen. Sei es bei den Verhandlungen zur Eingemeindung der Ortsteile oder bei Verhandlungen mit Jugendlichen nach der Spartacus-Schließung und dem Archiv-Erhalt. Ein Anruf, ob er verrückt sei, hat er vor seinem Wechsel in den neuen Job übrigens nicht bekommen. Dieses Mal waren zahlreiche gute Wünsche für den weiteren Weg.
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