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Landeshauptstadt: Hämmernde Räuber und Redakteure

Im Schlaatzer Nuthewäldchen bauen kleine Handwerker an der „Stadt der Kinder“ und berichten darüber in ihrer eigenen Zeitung

Von Sarah Kugler

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Es herrscht emsiges Treiben im weißen Pressezelt: Da klackern die Tasten der Schreibmaschine, dort wird schon am Titelblatt für morgen gearbeitet und ab und an stürmt ein kleiner Reporter rein, um die aktuellen News aus der entstehenden Stadt aufzuschreiben.

Seit Montag können Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren im Nuthewäldchen am Schlaatz ihre „Stadt der Kinder“ errichten. Das Projekt, das jährlich Anfang der Sommerferien stattfindet, wird unter anderem vom Bürgerhaus Schlaatz, dem Treffpunkt Freizeit und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen organisiert. „Ziel ist es, den Kindern den Freiraum zu geben, eigene Ideen selbstständig umzusetzen“, sagt Ronald Huster, Projektkoordinator von „Stadt der Kinder“. „Sie sollen sich hier selbst verwirklichen und natürlich auch die praktische Arbeit mit Holz und Werkzeugen kennenlernen.“ Am ersten Tag haben die Kinder über den Aufbau der Stadt abgestimmt und sich für 15 verschiedene Häuser entschieden. Jedes Haus wird von einer festen Kindergruppe betreut, die selbstständig die Innen- und Außengestaltung festlegt.

„Wir Erwachsenen sind dabei nur zur Unterstützung da“, erklärt Huster. „Und natürlich auch für die Sicherheit.“ Nach den Missbrauchsvorwürfen im vergangenen Jahr, mussten die rund 60 Mitarbeiter vor Ort ein spezielles Trainig durchlaufen, wie der Projektkoordinator mitteilte. „Wir haben von jedem ein erweitertes Führungszeugnis verlangt und jeder musste die Jugendleiter-Ausbildung durchlaufen“, so Ronald Huster. Dabei handelt es sich um eine spezielle Qualifizierung, in der Methoden und rechtliche Grundlagen der Kinder- und Jugendarbeit gelernt werden sowie ein Erste-Hilfe-Kurs absolviert wird. Außerdem führte das Sozial-Therapeutische Institut Berlin-Brandenburg (STIBB) einen Workshop mit allen Beteiligten der „Stadt der Kinder“ durch, in dem gezeigt wurde, wie man die Kinder schützt und im Ernstfall regieren muss. In der Stadt selber gibt es zusätzlich sogenannte Streitschlichter, die jedes aufkommende Problem sofort berichten. Im vergangenen Jahr hatte ein 54-jähriger Helfer mehrere Mädchen sexuell belästigt. Anfang des Jahres wurde er zu sieben Monaten Haft verurteilt. Die Strafe wurde allerdings zur Bewährung ausgesetzt.

Bei den diesjährigen Aufbauarbeiten entstehen unter anderem ein Café, ein Hotel, eine Bank und eine Bücherei. Aber auch an einer kleinen Ritterburg mit integrierter Räuberhöhle wird fleißig gearbeitet. „Wir bauen einen Turm und ein Dach, auf das man auch raufklettern kann“, erzählt der 10-jährige Justin. „Oben kann man die Burg dann mit einer Pistole oder einer Kanone bewachen.“ Wie es sich für ordentliche Räuber gehört, haben Justin und seine Mitstreiter auch schon einen Plan für einen Banküberfall ausgeheckt: „Ich war schon als Spion drüben und habe mir den Plan besorgt“, erzählt Justin flüsternd. „Ich weiß jetzt ganz genau, wo der Tresor stehen soll.“ Und noch ein Geheimnis hat er herausgefunden: Die Hütte, die als Plumpsklo betitelt ist, ist eigentlich ein Kasino. „Das ist natürlich auch nicht vor uns sicher“, sagt er lachend. Neben seiner gut geplanten Räuberkarriere arbeitet Justin auch für die Stadtzeitung „Kids News“. „Da muss man ja auch ein bisschen spionieren“, erklärt er und zeigt stolz seinen Presseausweis. Den hat auch seine Kollegin Annabelle, die im Pressezelt gerade dabei ist, einen Witz für die nächste Ausgabe abzutippen. „Ich kann ihn aber noch nicht verraten“, sagt die Achtjährige und guckt dabei konzentriert auf ihr Blatt. „Das ist Pressegeheimnis.“ Wenn sie nicht gerade für „Kids News“ schreibt, baut Annabelle am Café mit. „Das bekommt ein großes Fenster, aus dem wir dann die Gäste bedienen“, erzählt sie. Das Sägen und Hämmern macht ihr viel Spaß, wie sie sagt. „Ich mache das auch oft mit meinem Papa“, erzählt sie. „Deswegen kann ich das ganz gut.“

Fast schon ein Profi im Handwerkern ist auch die 10-jährige Emelie. Sie ist das vierte Mal dabei und baut an einer Kunstgalerie mit, in der später selbstgemalte Bilder hängen werden. „Das wird ziemlich schick“, verrät sie. „Unten werden die Bilder hängen und oben gibt es dann noch eine Terrasse.“ Und schmunzelnd fügt sie hinzu: „Ein Café wollen wir oben auch einrichten. Damit machen wir natürlich dem großen Café Konkurrenz.“ Ganz außer Konkurrenz wird hingegen das städtische Kino laufen, wofür der 9-jährige Karim gerade ein Kassenhaus-Schild beschriftet. Ob dort seine Lieblingsfilme „Madagaskar“ und die „Harry Potter“-Reihe auch gezeigt werden, weiß er zwar noch nicht, aber Bänke und eine Leinwand sind fest eingeplant, wie er erzählt.

Noch bis einschließlich Donnerstag bauen die Kinder an ihrer Stadt. Am Freitag soll sie dann schon fertig gestrichen in einem Stadtfest eingeweiht werden. Die darauffolgende Woche wird die Stadt dann mit Leben gefüllt und aktiv bespielt, was zu Beginn immer etwas schleppend funktioniert, wie Katrin Binschus-Wiedemann vom Treffpunkt Freizeit erzählt. „Die Kinder müssen dann erst mal realisieren, dass das Bauen vorbei ist“, sagt sie. „Aber dann läuft es immer ziemlich gut.“ Bis zur Stadteinweihung müssen die Kinder noch einige Entscheidungen treffen, wie Binschus-Wiedemann sagt. „Wir wissen noch nicht, ob sie einen Bürgermeister wählen wollen und ob es eine Geldwährung geben wird“, so die Helferin.

An dieser Stelle sind die Redakteure der „Kids News“ schon etwas schlauer: „Wenn wir eine Bank haben, müssen wir auch Geld haben“, sagt Räuber-Redakteur Justin. „Ist doch logisch.“

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