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Aus dem GERICHTSSAAL: Handyräuber verharmlost Überfall Gericht will bereits verurteilte Mittäter hören

Potsdam - Sowohl das Opfer als auch die drei Täter hatten Alkohol getrunken. Doch während das Trio in der Nacht des 17.

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Potsdam - Sowohl das Opfer als auch die drei Täter hatten Alkohol getrunken. Doch während das Trio in der Nacht des 17. November vorigen Jahres offenbar auf Krawall gebürstet war, nickte Robert R.* (20) im Bus ein. Der Student schreckte erst an der Endstation Johannes-Kepler-Platz auf und stieg aus. An das Wartestellenhäuschen gelehnt versank er erneut in Morpheus Armen, fühlte sich bald darauf umringt, von zwei Fausthieben getroffen, in den Bauch getreten und seines Smartphones beraubt. Die Angreifer flüchteten. Geistesgegenwärtig informierte Robert R. den Busfahrer, der gerade Pause machte. Der fand in seinem Gefährt neben leeren Bierflaschen auch einen Personalausweis. Robert R. war sich sicher: Der gehört eindeutig dem Handyräuber. Die zum Tatort gerufenen Polizeibeamten leiteten eine Nahbereichsfahndung ein. Schon nach wenigen Minuten wurden die Täter gestellt.

Zwei von ihnen – sie fielen noch unter Jugendstrafrecht – wurden in der vergangenen Woche rechtskräftig verurteilt. Der vermeintliche Haupttäter Stefan S.* feierte vorgestern seinen 23. Geburtstag, und zwar hinter Gittern. Er sitzt derzeit zweieinhalb Jahre wegen verschiedener Delikte ab. Zur Verhandlung vor dem Schöffengericht wird er in Handfesseln vorgeführt. Der kräftige Potsdamer verharmlost den Überfall, spricht von lediglich einer Ohrfeige, die er Robert R. verpasste, um seinen Komplizen zu imponieren. Doch eigentlich seien Schnaps, Bier und Cannabis schuld gewesen. Auf keinen Fall habe er dem Studenten das Handy entrissen, ihm danach gar noch einen Faustschlag ins Gesicht versetzt.

„Das Thema Alkohol zieht sich seit Jahren wie ein roter Faden durch das Leben meines Mandanten“, wirft der Verteidiger ein. „Dagegen will er jetzt vorgehen.“

„Ich mache im Gefängnis eine Therapie gegen Gewalt, aber auch gegen Drogen und Alkohol“, ergänzt der Angeklagte. „Und am 1. September habe ich eine Lehre zum Garten- und Landschaftsbauer begonnen. Ich hoffe, dass ich die drei Jahre ohne Ablenkung durchhalte.“

In Freiheit waren die Ablenkungen offenbar sehr groß. Nach dem Abgang aus der 9. Hauptschulklasse absolvierte Stefan S. zwar noch ein berufsvorbereitendes Jahr. Die Ausbildung zum Koch brach er aber bald ab. „Keine Lust“, gab er freimütig zu. Auch eine Dachdeckerlehre behagte ihm nicht. Irgendwann rutschte der Potsdamer in die Obdachlosigkeit. Seine kriminelle Karriere begann. Das Bundeszentralregister weist Einträge wegen gefährlicher Körperverletzung, Raubes, Diebstählen, Sachbeschädigung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, Wohnungseinbruchs und Verwendens von Nazisymbolen auf.

Vor Gericht erkennt Robert R. den Angeklagten als seinen Hauptpeiniger wieder. „Er hat mich die ganze Zeit festgehalten, mir das Handy weggerissen und zweimal zugeschlagen. Ich erlitt ein Hämatom unter dem Jochbein, eine Platzwunde an der Lippe und war eineinhalb Wochen krankgeschrieben.“ Einer der Mittäter habe ihn in den Bauch getreten, zudem sei ihm gedroht worden, ihn abzustechen, falls er zur Polizei gehe. „Ich habe gezittert, konnte zwei Monate nicht mehr alleine rausgehen, danach nur in Begleitung von Freunden. Jetzt geht es aber wieder.“

Das Smartphone sowie ein zweites gestohlenes Handy wurden bei einem der Mittäter gefunden. Zur Verhandlung gegen Stefan S. sind sie nicht geladen. Doch ohne ihre Aussage könne es kein Urteil geben, befand die Schöffengerichtsvorsitzende und unterbrach den Prozess bis zum 23. September. (*Namen geändert.) Hoga

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