Von Henner Mallwitz: Hart aber fair
Ümit Ergirdi freut sich das Spiel Deutschland – Türkei und feuert die Türken im deutschen Shirt an
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Da war es wieder, dieses Gefühl, das man eigentlich nur noch aus der Kindheit kennt. Das Aufschauen zu den „Großen“, zu denen man später auch einmal will. Ebenso ergeht es Ümit Ergirdi derzeit. Allerdings ist der kein Kind mehr, sondern gestandene 28 Jahre alt, bestimmt beim SV Babelsberg 03 im Mittelfeld maßgeblich das Spiel mit – und das in der dritten Liga. Also ist auch er inzwischen ein „Großer“.
Doch so etwas relativiert sich manchmal eben recht schnell. Beispielsweise wenn sich die türkische Nationalmannschaft ausgerechnet im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion auf das EM-Qualifikationsspiel gegen die deutsche Elf vorbereitet, in dem man ansonsten selbst kickt.
„Die Jungs auf unserem Rasen zu erleben, ist schon was ganz Großes“, sagt Ergirdi, der türkischer Abstammung ist und die Tage nutzen will, um ein Trikot mit dem roten Halbmond zu ergattern. „Aber eigentlich reicht es ja schon, einfach auf der Tribüne zu sitzen, den Jungs beim Training zuzuschauen und vielleicht sogar ein paar Erkenntnisse für sich mitzunehmen. Schließlich sind wir doch alle Fußballer und träumen von einem Einsatz im Nationalteam“, bekennt der Mittelfeldakteur, der 2008 von Tennis Borussia an den Babelsberger Park wechselte. Für einen ganz bestimmten Spieler aus dem türkischen Nationalteam will sich Ergirdi nicht begeistern. „Ich bin Fan von Fenerbahce Istanbul“, erzählt er. „Und somit unterstütze ich jeden Spieler, der von meinem Club im Nationalteam mitspielt.“
Wenn am Freitagabend die deutsche Elf im Berliner Olympiastadion auf die türkische trifft, wird Ümit Ergirdi als Deutsch-Türke im deutschen Block sitzen. Womöglich wird das Ganze nicht ohne gewisse Brisanz sein, da er wohl der Einzige sein wird, der bei einem türkischen Tor in Jubel ausbricht. Aber andererseits hat er deutsche Freunde an seiner Seite, die ihn in die Mitte nehmen werden. Zusammen mit Nulldrei-Torwart Daniel Zacher und Torjäger Daniel Frahn, der mit der Saison zum RB Leipzig wechselte, wird er das Spiel im Olympiastadion verfolgen.
Ein kleiner Wermutstropfen trübt allerdings Ergirdis Freude auf das spannende Match, das für die Deutschen kaum ein Heimspiel wird. Beim gemeinsamen Spiel mit der Play-Station ließ er sich kürzlich auf eine Wette mit seinem Kumpel Daniel Frahn ein – und verlor. Der Wetteinsatz war hart. Und so wird ausgerechnet der einzige Gegenpart im deutschen Fanblock das deutsche Nationaltrikot überstreifen müssen, das obendrein noch seinen türkischen Namen trägt. „Das ist schon hart“, gibt Ergirdi zu. „Aber ich sehe das ja auch ganz sportlich und bin auf keinen Fall traurig, wenn Deutschland gewinnt.“
Henner Mallwitz
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