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Landeshauptstadt: Harte Worte mit Humor

Der Schauspieler Peter Sodann spricht Tacheles im Fahrländer Kulturladen

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Fahrland - Für Nettigkeiten war Peter Sodann nicht gekommen. Der vor allem als „Tatort“-Kommissar Bruno Ehrlicher bekannte Schauspieler sollte am Montagabend im Fahrländer Kulturladen ermitteln, hieß es in der Einladung. Aus seinem Buch „Maireden und andere Provokationen“ wollte Sodann lesen. Danach war ein Gespräch geplant. Doch Sodann, ganz eigenwilliger Kopf, hielt sich nicht an diese Regieanweisungen. Er las, erzählte, suchte das Gespräch, piesackte und grantelte in einem. Gerade deswegen wurde es ein gelungener Abend.

Weil der 70-jährige Schauspieler eine ehrliche Haut sei und das heute nur noch selten vorkomme, hatte Carla Villwock, Vorsitzende des Fahrländer Bürgervereins, Peter Sodann eingeladen. Sie war sich sicher, dass ihm die Sympathien an diesem Abend zufliegen würden. Anfangs sah das auch ganz danach aus. Doch wer glaubte, Sodann gehe es um Sympathien, den belehrte er in seiner eigenwilligen Art ganz schnell eines Besseren.

Zuerst einmal bekannte Sodann, gebürtiger Meißner und nun Hallenser mit Leib und Seele, sich als „Ossi“. Das kam gut an, weil Sodann auch gleich ein wenig gegen die „Wessis“ stichelte. Als er vor kurzem in Hamburg war, habe er das Publikum gefragt, wo denn Teddy gewohnt hätte. Der ehemalige DDR-Bürger im Fahrländer Kulturladen wusste natürlich, dass hier Arbeiterführer Ernst Thälmann, genannt Teddy, gemeint war. Das Hamburger Publikum überlegte lange. Dann fiel einer Dame das Teddy-Museum ein, in dem die kleinen Plüschtiere ausgestellt werden. Darüber wurde kräftig gelacht im fast ausverkaufen Kulturladen.

Es folgte ein Sammelsurium aus Anekdoten und Fragen an die Gäste, politischen Kommentaren und Sodanns unbequemen Meinungen, immer gespickt mit Heiterem. Hatte er die Besucher zuerst ein wenig in Ostalgie gewiegt, erklärte er auf einmal trocken: „Wäre der Westen nicht über uns gekommen, würden wir heute in Zelten schlafen“. Da gab es ungehaltenes Brummen im Publikum. Doch davon ließ sich Sodann nicht beirren. Denn Leuten nach dem Mund zu reden, war Sodanns Sache nie.

Als Theaterstudent wurde Sodann 1961 verhaftet, weil er mit seinem Kabarett „Rat der Spötter“ angeblich „staatsfeindliche Hetze“ betrieben hatte. Kritik in Humor verpackt, tat den Oberen schon immer besonders weh. Doch Sodann gab nicht klein bei, ging seinen Weg als Schauspieler in der DDR und ist bis heute politischer Querdenker geblieben. Peter Sodann ist politisch, weil ihm seine Mitmenschen wichtig sind. Und wem am Wohl seiner Mitmenschen gelegen ist, der muss die politischen Verhältnisse ändern, so Sodann. Lösungsvorschläge hatte Sodann nicht mitgebracht. Er sagte nur, dass man es immer wieder aufs Neue versuchen müsse. Das man dabei aber oft genug den Glauben an seine Mitmenschen verlieren kann, daraus macht Sodann an diesem Abend keinen Hehl. Mit seiner leicht tranigen Stimme schwankte er zwischen Fatalismus, Zynismus, Bitterkeit und Hoffnung. Und mit seiner unaufgeregten Art vermittelte er trotz seiner zahlreichen Begegnungen mit Politikern und Bundespräsidenten das Gefühl, da vorn sitzt einer von uns.

Einmal stöhnte ein Mann im Publikum und sagte, dass so viele Wahrheiten auf einmal nicht zu ertragen seien. „Wieso? Sie kennen die doch“, fragte Sodann etwas verwundert zurück. Das schon, war die Antwort, aber so intensiv wie hier, habe man sich damit noch nicht auseinandersetzen müssen. Sodann nickte nur kurz und machte weiter im Programm.

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