Landeshauptstadt: Hartz-IV-Behörde greift durch
2007 ermittelte die Paga in 129 Fällen wegen Sozialbetrugs und kürzte mehr als 2000-mal Arbeitslosengeld
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Schwarzarbeit, Erschleichen von Leistungen durch falsche Angaben: Versuchter Sozialbetrug, wie unlängst im Bürgerbüro von Hans-Jürgen Scharfenberg (Die Linke) von einem ZDF-Fernsehteam dokumentiert, ist in Potsdam kein Einzelfall. Im vergangenen Jahr hegte die Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (Paga) in 129 Fällen den offenbar eindeutigen Verdacht, dass sie von ihren Kunden vorsätzlich angelogen wurde. Diese Zahl nannte gestern Frank Thomann, Leiter der Paga. Die Arbeitsgemeinschaft setzt in Potsdam die Hartz-IV-Reformen um und betreut aktuell 5129 Menschen – oft Arbeitslose, die als schwer vermittelbar gelten.
Schwarzarbeit ist das häufigste Delikt, dem die Paga nachgeht, informierte Thomann auf PNN-Anfrage. 77 solcher Fälle seien 2007 an das zuständige Hauptzollamt Potsdam abgegeben worden. Überdies wurden in anderen Fällen 38 Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Potsdam gestellt, bei 14 minder schweren Vergehen kamen Ordnungswidrigkeitsverfahren hinzu.
Insgesamt hatte die Paga in 379 Fällen Unregelmäßigkeiten festgestellt – sei es wegen fehlender Anträge oder ungewöhnlicher Transaktionen auf Konten. „Wie hoch der Schaden ist, der unserer Behörde jährlich entsteht, können wir nicht sagen“, so Thomann. Allerdings müssen Betrügereien nicht immer von Arbeitslosen begangenen werden: Erst vor gut einem Monat war vor dem Amtsgericht ein Kantinenpächter verurteilt worden, der für einen eingestellten Koch so genannte Eingliederungszuschüsse in Höhe von rund 7500 Euro einstrich. Wegen Betrugs musste er 3000 Euro Strafe zahlen.
Aktuell geworden war das Thema Sozialbetrug vor zwei Wochen durch einen ZDF-Bericht: Ein Reporterteam hatte mit versteckter Kamera die Linke-Stadtverordnete Jana Schulze gefilmt, als sie Journalisten, die sich als Empfänger von Arbeitslosengeld II ausgaben, konkrete Tipps gab, wie sie Einkünfte vor der Behörde verheimlichen könnten. Schulze trat in Folge als stellvertretende Vorsitzende des Sozialausschusses zurück.
Allerdings können Arbeitslose auch andersweitig gegen Auflagen der Paga verstoßen, etwa wenn sie Arbeit ablehnen oder nicht mehr beim begonnenen Ein-Euro-Job erscheinen. Zwischen Januar und September 2007 habe die Paga solches Verhalten in 1856 Fällen sanktioniert, so Thomann. Ein Drittel davon – 532 solcher Maßnahmen – habe Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren betroffen. Im Schnitt wird dabei jedem Achten das Geld ganz gestrichen: So wurden im vergangenen Dezember in 40 von 336 Fällen die Leistungen um 100 Prozent gemindert. „Die Betroffenen erhalten dann Lebensmittelgutscheine, um den Bedarf an Lebensmitten und Drogerieartikeln zu decken“, so Thomann. Ende Oktober vergangenen Jahres hatte es im Sozialausschuss von Seiten der Fraktion Die Andere heftige Kritik über den Umgang der Hartz IV-Behörde mit Jugendlichen gegeben. Thomann hatte dies bestritten.
Auch zu einem dritten Problempunkt der Hartz-IV-Reform nahm Thomann gestern gegenüber den PNN Stellung: Dem möglichen Umzug von Betroffenen, die nach Meinung der Paga auf zu großem Wohnraum leben. 61 Potsdamer Bedarfsgemeinschaften würden zurzeit unangemessen hohe Kosten für Unterkunft und Heizung benötigen – ob diese Menschen aber umziehen müssten, sei noch nicht entschieden. Jedoch sei dies nicht der einzige Wege, die Kosten zu senken: Die betroffenen Paga-„Kunden“ könnten auch Räume untervermieten.
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