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Drei Umarmungen braucht man täglich, sagt Gunter Bennung. Als Clown will er Lachen und Liebe in die Welt bringen.

© A. Klaer

Ein Clown aus Potsdam: „Hast du zufällig eine Nase dabei?“

Gunter Bennung ist Clown Shiven. Der gebürtige Potsdamer tritt weltweit vor Kindern und Erwachsenen auf. Am Mittwoch kann man ihn in der indischen Botschaft treffen.

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Einen Metall-Notenständer unfallfrei aufzubauen, das ist schon für einem normalen Menschen bisweilen eine Herausforderung. Gunter, der Clown, fummelt ewig mit dem verflixten Klappgerät herum, immer wieder verheddert sich das Teil oder sackt in sich zusammen. Es ist eine Nummer, bei der man ahnt, dass sie viel Übung braucht, bis sie so locker daher kommt. Und immer gut ankommt. Einmal aber überraschte ihn das Publikum, erzählt Gunter Bennung. Ein kleiner Junge, vielleicht genervt, vielleicht ein wenig altklug, kam plötzlich nach vorn und zeigte ihm, wie es geht. Gunter war aus dem Konzept gebracht. Was tat er? „Ich beugte mich zu dem Jungen hinunter und fragte ihn leise: Willst du recht haben oder glücklich sein?“

Dieser Spruch ist sein Lebensmotto, sagt er im Babelsberger Lindencafé bei einem Besuch in seiner Heimatstadt. Gunter Bennung wurde 1939 hier geboren. Jetzt lebt er in Dänemark, ist aber oft in Potsdam, um Freude zu besuchen und zu arbeiten. Am kommenden Mittwoch wird er in der indischen Botschaft in Berlin einen Film über seine Arbeit zeigen und dazu sprechen. Über seine Lebensphilosophie. Die mit dieser Frage, recht haben oder glücklich sein, ganz viel zu tun hat.

Gunter Bennung entscheidet sich vor fast 40 Jahren für Letzteres. Es war ein langer, aufregender Weg bis dahin. Manchmal ganz wörtlich. Als Kind läuft er zu Fuß mit seiner Schwester mehrere Kilometer, sechs hin, sechs zurück, zum Zirkus in der Nachbarstadt. „Damals hab ich mich in den Clown verliebt“, sagt er. Gunter, das Kriegskind, schwört sich, niemals eine Waffe anzufassen. Lieber will er die Menschen zum Lachen bringen. In der Schule in Potsdam unterrichten damals oft noch Lehrer der alten Garde, ehemalige Nazis, bei denen strammgestanden wird. Wohl fühlt er sich da nicht. Lieber spielt er in Großvaters Garten in der Russischen Kolonie Zirkus. 1955 kann die Familie nach West-Berlin ausreisen, ganz offiziell, mit einem Pferdewagen bringen sie ihr Hab und Gut nach Falkensee und schleppen es über die Grenze.

In Berlin macht Gunter Bennung Abi und studiert, wird Diplomsportlehrer und arbeitet ein Jahr an einem Gymnasium in Essen, später noch ein Jahr in Berlin. Um zu wissen, ob er ein guter Lehrer sein kann. Dann geht er an die Max-Reinhardt-Schauspielschule Berlin, arbeitet einige Jahre als Journalist beim Rundfunk und Fernsehen. Er hat ein paar Engagements an Berliner Bühnen als Darsteller und Regisseur und spielt dann von 1969 bis 1972 die Hauptrolle im Musical „Hair“. Nebenbei macht er Schlagzeilen, als er mit Marion Michael, Schauspielerin mit dem Image einer Sexbombe, das sie nicht loswird, nach Island ausreist, und beide später heiraten. Die Ehe hält nicht. Zurück bleibt die nicht ganz unwichtige Erkenntnis, dass der Mensch, wie seine Frau, nicht auf das festgelegt werden darf, was der erste Eindruck hergibt. Dass man hinter der Maske, hinter dem Make-up, suchen muss. Und dass man sich ändern kann.

Gunter Bennungs Leben ändert sich radikal bei einem langen Indien-Aufenthalt. Dort entdeckt er sich selbst – und seinen Kindheitstraum. Aus dem getriebenen Gunter Bennung wird Clown Shiven. „Den Namen Shiven gab mir mein indischer Lehrer.“ Shiven bedeutet „gut“. Der das Gute Liebende“, sagt Gunter Bennung. Er will jemand sein, der das Gute weitergibt. Der Lächeln verteilt. Ein „Smile-Planter“, sagt er. Von da an nennt er sich Berufs-Clown, geht in Schulen und Kitas, tritt auf Partys auf, vor Managern, Botschaftsangehörigen oder einer Handvoll Kindern. In großen Hallen oder dem Café an der Ecke. Er bildet sich professionell weiter und gibt bald selbst Kurse. Er trifft die ganz Großen seiner Branche, Charlie Chaplin, Buster Keaton, ist begeistert und lässt sich inspirieren. Er ist überall auf der Erde zu Hause, lebt jahrelang auf Neuseeland, jetzt in Dänemark, der Heimat seiner jetzigen Frau. Und würde doch jederzeit mit seinem Clownskoffer aufbrechen und dahin fahren, wo er gebraucht wird. Überall in der Welt tritt er auf.

30 Minuten dauert die Verwandlung von Gunter Bennung in den Clown Shiven. Manchmal sind die Kinder mit dabei, wenn er sich umzieht und schminkt. Und zuletzt fragt: „Hast du zufällig eine Nase dabei?“ Denn ein Clown ohne rote Nase, das geht nicht. „Wenn ich die Nase aufsetzte, dann fressen sie mir aus der Hand“, sagt er. „Wenn ich die Maske trage, lade ich sie ein, in meine Fantasiewelt zu kommen.“ Dazu braucht er das traditionelle Handwerkszeug, die simplen und doch immer wieder großartigen Slapsticks mit seinen überlangen Clownsschuhen, die Handhabung von allerlei Accessoires, das Spiel auf Musikinstrumenten und sein Singen dazu, der Einsatz von geheimnisvollen Tröten und Hupen und allem, was an seinen Körper und in sein Köfferchen passt. Und seine ganz spezielle Shiven-Art. Er nimmt das Publikum ernst – und umgekehrt. „Die Kinder wissen ganz genau, dass ich nicht bescheuert bin.“ Bei Erwachsenen funktioniere das auch. „Aber 150 Diplomaten an Dinnertischen – das ist wahnsinnig schwer“, sagt er. Einmal sollte er in einem Seniorenheim spielen. Das funktionierte gar nicht – erst als eine Kitagruppe dazukam. „Ich lerne jedes Mal dazu.“

„The Answer ist Joy“, Film und Gespräch mit Shiven am 13. Januar um 18 Uhr in der indischen Botschaft, Tiergartenstraße 17, 10785 Berlin. Der Eintritt ist frei, ein Ausweis oder Pass ist vorzulegen.

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