Landeshauptstadt: Hauchen und Schwitzen
Chinesisch zu verstehen, ist gar nicht so schwer, sagt Ursula Hakim, Chinesen zu verstehen, schon eher
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Ni hao! Das chinesische „Guten Tag“ geht Christa Engel noch locker über die Lippen. „Ist doch gar nicht so kompliziert“, lacht Ursula Hakim, die Lehrerin, die ihren vier Probanden „Chinesisch in zehn Wochen“ beibringen möchte. Aber schon bei der zweiten Höflichkeitsformel „Ni chifanle-ma?" wird es schwerer. „Sie müssen das anhauchen, ein bisschen aspirieren“, rät Ursula Hakim. „Ich transpiriere“, kontert Christa Engel und legt ihre Weste ab. Für Mitteleuropäer scheint die chinesische Sprache sogar körperliche Anstrengungen zu zeitigen.
In zweieinhalb Monaten sollen Christa Engel und ihre drei Mitstreiter so weit sein, dass sie sich nicht nur chinesisch verständigen können. Auch für geschäftliche Treffen will Ursula Hakim Tipps geben. Sogar die Eigenheiten der Asiaten aus dem Riesenreich sollen thematisiert werden. Und gerade letztere haben es in sich, wie Ursula Hakim aus eigener Erfahrung weiß: „Mein Mann kommt aus Indonesien, ist aber chinesischer Abstammung. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um sein ,Ja’ immer richtig zu deuten.“ Denn Chinesen, erklärt Hakim, sagen eigentlich ständig „Ja!“, nur um ihr Gegenüber nicht unbedingt in Verlegenheit zu bringen. Dabei müsse diese Bestätigung nicht ernst gemeint sein. „Seinem Gegenüber die Chance geben, das Gesicht nicht zu verlieren“, nennt Ursula Hakim diese kulturelle Eigenart. Die vier deutschen Schüler wahren dabei weniger das Gesicht, sondern gucken verdutzt. Deshalb widmet die studierte Sinologin dem Thema Höflichkeit ein ganzes Kapitel in ihrem zehnwöchigen Kurs.
In Rollenspielen und kleinen Szenen sollen die Teilnehmer die wichtigsten Floskeln für kurze Konversationen und die notwendigsten Fragen für eine Reise ins Reich der Mitte erlernen. Auch für Geschäftsbeziehungen will Hakim erste rhetorische Kniffe vorstellen. „Nächstes Jahr möchte ich nach China reisen. Dann will ich über den Markt gehen und mir etwas kaufen können“, war Christa Engels Grund, am Kurs teilzunehmen.
„So schwer ist die Sprache nicht“, macht Ursula Hakim den etwas verunsicherten Anfängern Mut. Das Chinesische kennt zum Beispiel weder konjugierte Verben noch deklinierte Substantive. Ein Traum für viele Schüler, die mit der Grammatik einer Sprache auf dem Kriegsfuß stehen. Doch der Haken folgt sogleich: „Dafür kennt die chinesische Sprache vier unterschiedliche Tonhöhen. So kann ein Wort vier völlig unterschiedliche Bedeutungen haben.“ Musikalische Menschen sind hier eindeutig im Vorteil. Hingegen bringe es nichts, sich jetzt Ton eins bis vier einprägen zu wollen, meint Ursula Hakim. „Da muss man sich reinhören, so habe ich das auch geschafft.“
Die einstige Volkswirtschaftlerin begann 1992 mit einem Sinologie-Studium, absolvierte zwei Auslandssemester im Norden von China. „Meine damalige Sprachlehrerin sagte immer zu mir: ,Mund auf’. Das rate ich ihnen jetzt auch“, gibt Hakim Tipps. Seit einigen Jahren berät sie vor allem deutsche und chinesische Geschäftsleute im gegenseitigen Umgang miteinander, warnt vor kulturellen Eigenarten und schult die Etikette. „So übergeben Chinesen Geschenke wie das ’Hongbao’, das klassische rote Päckchen, sehr bewusst mit beiden Händen.“ Nicht sauer sollte der Schenker sein, wenn das Mitbringsel nicht gleich ausgepackt wird. „Auch das hat etwas mit der Gesichtswahrung zu tun“, erklärt Hakim. „Das enttäuschte Gesicht bei einem eher unpassenden Präsent soll nicht den Schenker beleidigen“, führt China-Expertin Hakim ihre Asien-Laien in einige Geheimnisse ein. Und fügt für die Besonderheiten bei Geschäftsbeziehungen noch an: Die zwar illegalen, aber auch in China sehr beliebten Bestechungsgeschenke heißen übrigens auch „Hongbao“.
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