
© Andreas Klaer
ARCHITEKTURDEBATTE: Haus Dietz weicht „Profitschuppen“
Klare Worte bei „Potsdamer im Dialog“: Der Abriss des Hauses in der Kurfürstenstraße wäre eine „frevelhafte Tat“.
Stand:
Kaum jemand kann schöner schimpfen als Christian Wendland. Wenn der Architekt in Fahrt gerät, steigert sich seine Wortwahl ins Unmissverständliche. So geschehen am Dienstagabend bei der Veranstaltung „Potsdamer im Dialog“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG). Organisiert wurde der Diskussionsabend von der Bürgerinitiative Mitteschön und von der Stadtfraktion Potsdamer Demokraten. Thema war der akut drohende Abriss des Hauses Dietz in der Kurfürstenstraße – eines der wenigen Zeugnisse des Neuen Bauens in Potsdam – zugunsten der Errichtung eines mehrgeschossigen Wohnblocks. Zwar hatte der Gestaltungsrat die vorgeschlagene Architektur der Berliner Firma Natulis qualifiziert – obgleich der Abriss des ehemaligen Wohnhauses des Architekten Heinrich Laurenz Dietz (1888-1942) eine „städtebauliche Sünde“ darstelle. Doch Wendlands Gefallen konnte der Haus-Dietz-Ersatz dennoch nicht erringen, im Gegenteil: Es handele sich um „eine Geldkassette“, einen „Profitschuppen“, ein „Klamottengebirge“, entworfen von Architekten, die zu „Reißbrettnutten“ geworden seien.
Unverständlich ist für Wendland die Aussage der Bauverwaltung, der Wohnblock beeinträchtige das Welterbe nicht. Dabei stehe es unweit des Palais Lichtenau und schlimmer noch: „Man wird es vom Marmorpalais aus sehen können.“
Die Bündnisgrüne Stadtverordnete Saskia Hüneke entschuldigte sich nahezu für die von der Bauverwaltung bereits erteilte Abrissgenehmigung. Zwar würde der Bauausschuss über Baugenehmigungsverfahren informiert, habe jedoch kaum Einflussmöglichkeiten. „Wir haben eine Mitverantwortung ohne Kompetenz“, so die Stadtverordnete. Nur ein Bebauungsplan hätte den Abriss des stadtbildprägenden Hauses verhindern können. „Vielleicht haben wir nicht schnell genug reagiert.“
Ausgangspunkt für das sehr realistische Abrissszenario ist ein als überdimensioniert empfundener Neubau in der Leiblstraße, der die Wohnqualität des Hauses Dietz entwertet, worauf der Besitzer sich zum Verkauf an den Projektentwickler Natulis entschloss. Städtebaulich wäre der Abriss und die Neubebauung „ein enormer Missgriff“, erklärte Saskia Hüneke. Das denkmalgeschützte Nachbarhaus im gleichen modernen Baustil der 1920er Jahre, die Gymnastikschule Ullrich, komme dadurch „materiell und ideell erheblich in Gefahr“.
Abhilfe hätte das Landesamt für Denkmalschutz in der Person des Referatsleiters Ralph Paschke geben können. Doch Paschke hatte – auch gegenüber den PNN – erklärt, da das Haus Ende der 1980er Jahre abgetragen und komplett neu aufgebaut wurde, könne es nicht unter Denkmalschutz stehen. Rekonstruktionen seien nicht schutzwürdig. Für den Vorsitzenden des Fördervereins für das Potsdam Museum, Markus Wicke, ist das ein veraltetes Argument aus der Zeit um 1991, als das Landesamt es unterließ, das zu DDR- Zeiten auf die Denkmalliste gesetzte Haus nicht auf die Schutzliste des Landes zu übernehmen. „Das muss 20 Jahre später neu bewertet werden“, fordert Wicke. Das Haus sei nach dem Abriss aufgrund von Statikschäden aus den Mitteln des DDR-Denkmalfonds wieder aufgebaut worden. Wendland erklärte, es gebe „in der ganzen DDR kein weiteres Haus aus den 1920er Jahren, das rekonstruiert wurde“. Hinsichtlich der Liebe zu klaren Worten stand Referent Thomas Sander vom Verein ArchitraV Wendland kaum nach: Es sei „eine frevelhafte Tat, das Haus Dietz abzureißen – für so eine No-Name-Kiste“.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: