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Heimstatt. Die typischen Siedlerhäuser gibt es bis heute.

© Johanna Bergmann

Landeshauptstadt: Haus und Hof für jeden

Der Potsdamer Verein Siedlung Eigenheim erinnert an Adolf Damaschke. Er war der Gründer der Bodenreformbewegung

Das typische Siedlerhaus hatte im Erdgeschoss Küche, Wohn- und Esszimmer, unterm Spitzgiebel zwei kleine Zimmer. Und viel Nebengelass – Waschküche, Schuppen, Stallungen. „Wir hatten alles, Hühner, Kaninchen, Ziegen“, sagt Ingrid Eich. Sie ist in der Siedlung Eigenheim zwischen Heinrich-Mann-Allee und Ravensbergen aufgewachsen und wohnt heute noch hier, zusammen mit ihrem Mann. Beide engagieren sich im Verein, der die Geschichte der Eigenheimer, die 1921 beginnt, am Leben erhalten will. Am morgigen Dienstag sind sie dabei, wenn die Vereinsmitglieder an Adolf Damaschke erinnern, ohne den es die Bodenreformbewegung und die Gründung solcher Siedlungen nicht gegeben hätte. An der halbrunden Damaschke-Bank, die 1925/26 ihm zu Ehren gebaut wurde, werden Blumen abgelegt: Denn der 24. November ist der 150. Geburtstag des in Berlin geborenen Pädagogen und Sozialreformers.

Damaschke war Volksschullehrer, evangelischer Christ und Lebensreformer, er gehörte zu denen, die Anfang des Jahrhunderts Visionen gegen die schlechten Lebens- und Wohnverhältnisse und die Wohnungsnot entwickelten. 1898 gehörte er zu den Gründern des Bundes deutscher Bodenreformer und blieb bis zu seinem Tod 1935 deren Vorsitzender. Das Anliegen der Reformer: staatliches Land dem einfachen Bürger zur Verfügung stellen. Auch Arbeiter und Angestellte sollten Haus und Hof besitzen, sich selbst versorgen können. Die Ideen fanden weltweit Beachtung – und letztlich auch bei städtischen Behörden. Die 40 Hektar am Stadtrand Potsdams gehörten den preußischen Forstbetrieben. Die Stadt erwarb das Land für vier Mark je Quadratmeter und verkaufte es den neuen Siedlern: als Heimstätte für Beamte, Handwerker, Arbeiter, Kriegsbeschädigte, Flüchtlinge. Das Land durfte vererbt, aber nicht weiterverkauft werden, damit es nicht an Bodenspekulanten fiel. 1922 gingen 273 Parzellen zu jeweils etwa 1300 Quadratmetern an die Siedler, die zwölf Straßen werden erst nach und nach gebaut. Das Stadtviertel war weitgehend autark, es gab Lebensmittelgeschäfte, Friseur und Schuster, Arztpraxen und Klempner, Schule, Kita, Kirche und Kneipe. Der Zusammenhalt unter den Siedlern ist groß. „Man feierte zusammen und half sich überall, vor allem die Handwerker“, sagt Ingrid Eich. Und man gedachte des Reformers Damaschke, benannte eine Linde und eine Straße nach ihm. Zwei Mal besuchte Damaschke die Siedlung, auch zur offiziellen festlichen Einweihung „seiner“ Bank 1927.

Gebaut hat damals dann doch jeder, wie er wollte, es gibt verschiedene Haustypen, manche einfacher, andere schon aufwendiger, mit schmucken Details, die man beim Spaziergang durch die Siedlung entdecken kann. Nach dem Krieg machten viele, was auch Familie Eich später machte: Sie teilten die Parzelle, ließen die nachfolgende Generation nebenan bauen. Etwa jedes zweite Haus stammt aus der Gründungszeit, dazwischen stehen die neuen. „Wir müssen heute aufpassen, dass wir keine Schlafstadt werden“, sagt Wolfgang Eich. Deshalb organisiert der Verein jährlich Neujahrswanderung und Sommerfest, Pflanzenmarkt im Frühjahr, Martinsumzug im November. Und wird morgen an den Ideengeber für dieses Wohnprojekt erinnern. Steffi Pyanoe

Das Damaschke-Gedenken findet am Dienstag um 10 Uhr an der der Ecke Waldstraße/Heinrich-Mann-Allee statt.

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