Landeshauptstadt: Hausarrest für die Neuen
„Ein-Euro-Jobber“ bauten ersten Stadttaubenschlag: Christian Becker holt verwilderte Tauben auf Anruf ab
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Teltower Vorstadt – Direkt glücklich wirken sie nicht: Reglos und stumm sitzen die 14 Tauben nebeneinander in der Voliere von Potsdams erstem „Stadttaubenschlag“ im Schlaatzweg. Kein Wunder: Denn noch haben die Tiere Hausarrest. „Sie brauchen etwa vier Wochen Eingewöhnungszeit“, erklärt Christian Becker. In dieser Zeit sollen sie Pärchen bilden und heimisch werden. „Jetzt würden sie sofort abhauen“, schätzt Becker: Erst am Mittwoch holte er die verwilderten Tauben aus einer Baustelle in der Paul-Neumann-Straße in Babelsberg. Aber der Hobby-Taubenzüchter hat die Vögel nicht nur eingefangen – von ihm stammt auch die Idee, in Potsdam eine ständige Unterkunft für verwilderte Tauben einzurichten. Gestern wurde der Stadttaubenschlag auf dem Gelände der Reisevereinigung der Brieftaubenzüchter Potsdam e.V. offiziell eröffnet.
Dorthin können Potsdamer sich nun wenden, wenn sie Tauben auf dem Dachboden oder dem Balkon finden. Auf Anruf kommt Becker vorbei, um die Tiere einzufangen, verspricht er. In dem Taubenschlag, der an ein Gartenhäuschen erinnert, werden sie versorgt – und an der Vermehrung gehindert, „durch Entnahme der Eier“, erklärt Becker: „Wir kümmern uns aber auch um verletzte Tauben.“ Bis zu 60 Exemplare haben in den Nistregalen des zwölf Quadratmetern großen Stadttaubenschlags Platz.
Gebaut haben ihn drei „Ein-Euro-Jobber“: Denn Becker ist einer der Geschäftsführer der „Foqus Gesellschaft für berufliche Fortbildung, Qualifizierung und Schulung mbH“ und betreut momentan insgesamt 48 Langzeitarbeitslose in verschiedenen Projekten. Zusätzliche finanzielle Unterstützung bekam der Sozialarbeiter über das Programm „Lokales Kapital für Soziale Zwecke“ (LOS), bei dem die Stadtverwaltung Miniprojekte mit Gelden aus dem EU-Sozialfonds fördert.
Für Rolf Unger war der Taubenschlagbau „eine Chance, wieder reinzukommen“. Seit 2003 ist der gelernte EDV-Mechaniker arbeitslos und hangelt sich seitdem von Maßnahme zu Maßnahme. Dass er noch einmal eine Festanstellung finden wird, glaubt der 56-Jährige nicht mehr: „Ich habe die Hoffnung fast aufgegeben.“ Den „Ein-Euro-Job“ habe er angenommen, um sich nicht „ganz nutzlos“ zu fühlen. Wie es bei ihm nach Ablauf der Maßnahme weiter geht, weiß er noch nicht. Anders sieht es bei Hartmut Altenberg aus: Der gelernte Maurer soll ab August als Platzwart auf dem Sternsportplatz arbeiten, in einer „Entgeltvariante“, wie er erklärt: Denn er habe dort vorher bereits als Ein-Euro-Kraft gearbeitet.
Den Betrieb des Taubenschlags will Becker mit weiteren Ein-Euro-Kräften aufrechterhalten. Zehn Jahre soll er mindestens stehen: So lange laufe der Unterpachtvertrag mit dem Brieftaubenverein. Ende 2007 will Becker bereits einen zweiter Stadttaubenschlag eröffnen, kündigte er gestern an: In Babelsberg Nord. Rolf Unger will sich wieder beim Aufbau beteiligen: „Ehrenamtlich“.
Christian Becker ist erreichbar unter Tel.: (0331) 289 24 47.
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