Ist das Kunst oder kann das weg?: Heftige Debatte um Landtagsschau
Die CDU will die Ausstellung mit dem Hitler-Porträt verhindern. Kritik kommt auch vom Zentralrat der Juden und von Opferverbänden.
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Potsdam - Die Ausstellung im neuen brandenburgischen Landtag in Potsdam mit verfremdeten Hitler-, Goebbels- und Stalin-Porträts hat eine breite Debatte ausgelöst. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte den PNN, er erwarte vom Landtag „mehr politisches Fingerspitzengefühl. Portraits von NS-Verbrechern gehören ganz einfach nicht ins Parlament“. Die Porträtreihe sei ein „ein fahrlässiges Spiel mit dem Bösen, das immer noch viel zu viele Leute als allzu billigen Triumph erachten“. Kritik an der Ausstellung kam auch von NS- und SED-Opferverbänden.
Hugo Diederich, Bundesvorsitzender der Vereinigung der Opfer des Stalinismus, sagte den PNN, die Bilder von Diktatoren seien eine Zumutung für die Opfer im öffentlichen Raum. „Ein Parlament sollte Ausdruck von Zukunft und Leben sein, nicht Ausdruck von Diktaturen, die Millionen von Menschen auf dem Gewissen haben“, sagte Diederich. Rainer Wagner von der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft sagte den PNN, es sei fraglich, ob bei der Eröffnung eines Hauses der Demokratie mit der Relativierung von Moral ein gutes Zeichen gesetzt werde. „In einem anderen Zusammenhang kann ich mir die Ausstellung durchaus vorstellen. Aber der Landtag ist nicht da zur psychologischen Selbstuntersuchung, sondern ein Ort der Werte.“
Quer durch fast alle Landtagsfraktionen sind die Meinungen zur Ausstellung geteilt, lediglich die CDU-Fraktion hat sich festgelegt und will bei der Sitzung des Landtagspräsidium am Mittwoch alles versuchen, die Ausstellung vor der feierlichen Eröffnung am Wochenende mit den Tagen der offenen Tür und der ersten Plenarsitzung im neuen Landtag doch noch zu verhindern. Der Landtag sei nicht der richtige Ort, um „Diktaturen und Verbrecher auszustellen“, sagte CDU- Fraktionschef Dieter Dombrowski. Eine Ausstellung mit Bildern zu Brandenburger Kultur und Landschaften wäre passender. Auch FDP-Fraktionschef Andreas Büttner hatte gefordert, die 122 Porträts wieder abzuhängen. Bei den regierenden Fraktionen von SPD und Linken sind die Meinungen geteilt. Nachdem es am Sonntag bei der SPD-Fraktion hieß, die Kunstkommission habe sich für die Ausstellung entschieden und dabei bleibe es, stellte sich am gestrigen Montag heraus, dass es bei den Sozialdemokraten in der heutigen Fraktionssitzung Redebedarf gibt. Die Potsdamer Abgeordnete und SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz sieht in der Ausstellung keinen Debattenbeitrag, sondern eine gezielte Provokation, die für viele eine emotionale Zumutung sei.
Landtagsvizepräsidentin Gerrit Große (Linke), die Vorsitzende der Kunstkommission ist, sagte, am Montag habe für die Präsidiumssitzung am Mittwoch noch kein offizieller CDU-Antrag vorgelegen, die umstrittenen Bilder abzuhängen. Sollte er eingehen, werde die Linke ihn auf jeden Fall ablehnen. Von den Grünen gebe es die gleichen Signale, bei der SPD sei es unklar. Große sprach von „einem gepushten Thema“. Der Vorwurf, im Landtag werde Hitler ausgestellt, sei „völlig absurd“. Es handele sich nicht um Porträts von Diktatoren, sondern um Selbstporträts des Malers unter dem Motto „Ich als...“, die zum Nachdenken anregen sollen. „Zu sehen sind Ausschnitte der Menschheitsgeschichte mit Menschen, die Schreckliches getan haben und Menschen, die Großes geleistet haben.“
Die 112 Bilder und 13 Holzskulpturen umfassende Ausstellung „Vorbilder-Nachbilder-Gegenbilder“ des im Havelland lebenden Malers Lutz Friedel war bereits mehrfach zu sehen, etwa in Potsdam. Sie zeigt verfremdete Porträts von Adolf Hitler, NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, des Sowjet-Diktators Josef Stalin und der berüchtigten DDR-Justizministerin Hilde Benjamin, die für zahlreiche Schauprozesse für willkürliche Todesurteile gegen politische Gegner verantwortlich war. Die Schau soll ein Jahr im Parlament zu sehen sein, bei Kunsthistorikern und Wissenschaftlern in Potsdam stieß sie auf ein geteiltes Echo. (mit epd)
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