Landeshauptstadt: Heilkräftiger „Kardinal“ aus Pomeranzen Geschichte spielerisch
Orangeriegewächse in Sanssouci – mit Gartenhistorikerin Katrin Schröder unterwegs Fotograph Volker Weinhold eröffnet Ausstellung „Kinder, wie die Zeit vergeht“ im Sterncenter
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Orangeriegewächse in Sanssouci – mit Gartenhistorikerin Katrin Schröder unterwegs Fotograph Volker Weinhold eröffnet Ausstellung „Kinder, wie die Zeit vergeht“ im Sterncenter Von Erhart Hohenstein Im dunklen Grün der Pomeranzen, die in diesem Jahr erstmals wieder auf den Sanssouci-Terrassen aufgestellt worden sind, leuchten noch nicht golden die Früchte. Die recht kleinen Kübelpflanzen sind kräftig beschnitten worden, damit sie eine regelmäßige Krone ausbilden. Außerdem wollten die Orangeriegärtner verhindern, dass Besucher die Früchte abreißen und damit meist auch die Zweige. Diese Unsitte sei den Touristen leider nicht auszutreiben, bedauerte Katrin Schröder auf einem URANIA-Spaziergang zum Thema „Kübelpflanzen in Sanssouci“. Die Orangerien sind ein Forschungsschwerpunkt der Gartenhistorikerin. Die Besucher werden Geduld brauchen, bis die zehnjährigen, von einer Hamburger Spezialgärtnerei gekauften Pomeranzen bei gutem Wuchs und fachkundigen Schnitt ihre Kronen auf 2,40 Meter Durchmesser ausgebreitet haben. Mit dem Aufstellen der Zitrusgewächse kehren die Gartendenkmalpfleger der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zurück zu den Ursprüngen. Ein erhalten gebliebenes Pflanzeninventar aus dem Jahr 1746 verzeichnet die Lieferung von „60 Citrus“. Damals war die Treppenanlage noch in Bau. 1748 werden Orangeriegewächse des Potsdamer Stadtschlosses, die nach Charlottenburg ausgelagert worden waren, nach Sanssouci gebracht. Außerdem lässt der König schon prachtvoll entwickelte Zitrusgewächse aus schlesischen Herrensitzen holen. Dazu hatte er sich im 1740 begonnenen ersten Schlesischen Krieg, in dem er die Provinz eroberte, gründlich umgesehen. Ob die Adligen ihre teuren Orangerien wirklich als „Geschenk“ an den Hof in Potsdam gaben, wagt Katrin Schröder deshalb zu bezweifeln. Die Pomeranzen hatten auch eine wirtschaftliche Bedeutung. So wurde aus dem Saft mit Wein gemischt ein „Kardinal“ genanntes Getränk hergestellt, das große Heilkraft besessen haben soll. Katrin Schröder plauderte aus dem Nähkästchen und verriet, dass Gartendirektor Prof. Michael Seiler diesen Trunk heute noch zu Hause herstellt. Auf dem URANIA-Spaziergang führte sie die zahlreichen Interessenten dann zu Friedrichs Gästeschloss Neue Kammern, das 1747 ursprünglich als Orangerie, also als Winterquartier für die frostempfindlichen exotischen Pflanzen, errichtet worden war. Zuvor hatte man sie in hölzernen Behelfsbauten untergebracht, die im Sommer demontiert wurden. Sie befanden sich nördlich und südlich der Maulbeerallee. Unterhalb der Neuen Kammern wollte König Friedrich Wilhelm III., angeregt durch eine Italienreise, einen „natürlichen“ Orangenhain anlegen lassen. Dazu wurden die Zitrussträucher der Sanssouci-Terrassen hierher geschafft. Die Kübel wurden eingegraben und sollten mit Topfpflanzen umstellt werden. Davon hätte Hofgartendirektor Peter Joseph Lenné 1200 Stück gebraucht, aber so viele gab es nicht. Er setzte deshalb eine „abgespeckte“ Variante durch, die ohnehin nur wenige Jahre Bestand hatte. Nächste Station des Spaziergangs war der Sizilianische Garten, dessen Ostteil in den vergangenen Monaten auf den ab 1856 geschaffenen Originalzustand zurückgeführt wurde und der derzeit wohl das schönste Gartenerlebnis in Sanssouci bietet. Hier stehen in den Kübeln u. a. Oleander, Lorbeer, Hibiskus, Buchsbaum, Granatäpfel, aber nur wenig Palmen. Letzteres verwundert, entspricht aber dem originalen Bild, wie es Sanssoucis stellvertretender Gartendirektor Jörg Wacker bei seinen Forschungen ermittelt hat. Letzte Station des Rundgangs war die Neue Orangerie, die Friedrich Wilhelm IV. ab 1841 auf der Höhe oberhalb Sanssoucis errichten ließ. Hier zeigte Katrin Schröder die beiden je 103 Meter langen Hallen zur winterlichen Unterbringung der Orangeriegewächse. Sie drückte ihre Freude aus, dass nun auch die Westhalle nach Jahrzehnte langer Nutzung durch das Landeshauptarchiv ab Herbst dieses Jahres wieder dafür verwendet werden kann. Die 700 Orangeriepflanzen – Friedrich der Große besaß 1000 davon – können dann ohne Enge aufgestellt werden. Erhart Hohenstein „Also ich finde, dass die Spielzeug-Indianer im Osten eindeutig schöner waren“, sagt Volker Weinhold, und deutet auf eine Vitrine in denen sich Miniatur-Häuptlinge ein spielerisches Gefecht liefern. „Aber der Sinn der Sache ist nicht, das Eine besser als das Andere darzustellen.“ Vielmehr gehe es ihm darum, die deutsch-deutsche Geschichte „freudvoll“ aufzuarbeiten. „Ich wollte das anhand von alltäglichen Dingen machen. Und als Spielzeug-Fan hab ich mir eben Spielsachen dafür ausgesucht“, erklärt der Fotograph, der gestern die Ausstellung „Kinder, wie die Zeit vergeht“ über Nachkriegs-Spielzeug in Ost und West im Sterncenter eröffnete. Die Idee für eine derartige Exposition war dem gebürtigen Sachsen, der jetzt in Berlin wohnt, im Jahr 1996 gekommen, als er in Bonn das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland besucht hatte. „Da war auch eine Ausstellung über Nachkriegs-Spielsachen. Die war allerdings sehr einseitig. Dort war nur West-Spielzeug zu sehen“, erklärt Weinhold. Daraufhin, so der 42-Jährige, habe er sich überlegt, selbst etwas derartiges ins Leben zu rufen. „Aber ausgeglichen, mit Spielsachen aus ganz Deutschland“, erläutert er. Bis zum 14. August stellt Weinhold rund 100 Fotographien aus, die er seit 1996 von West- und Ost-Spielsachen gemacht hat. Zu sehen gibt es aber auch Spiele und Originalfiguren, Spielzeugautos oder Raumschiffe, die für die Zeit der Ausstellung im Sterncenter ihr neues Zuhause in installierten Glasvitrinen gefunden haben. Schon von weitem erkennt man zwei 1,70 Meter große „Spielzeug-Botschafter“ aus den beiden deutschen Staaten, die wie die Schweizer Garde über die Ausstellung wachen. Ein großer Sandmann vertritt die DDR, sein West-Kollege ist „Mecki“, ein Igel aus den 50er Jahren der alten Bundesrepublik. „Ob Wessi oder Ossi, viele dürften hier ihre alten Spielgefährten wiedererkennen“, sagt Weinhold. „Die Bilder zeigen Spielsachen, die zwischen 1945 und den 80er Jahren produziert wurden“. „Die Fotos lassen in der Tat Kindheitserinnerungen aufkommen“, sagt ein Besucher und zeigt auf ein Foto, auf dem ein Ford Capri aus den 70er Jahren mit dem berühmten „Carrera“-Schriftzug auf der Motorhaube über die gleichnamige Bahn brettert. Vom Bild gegenüber schauen Holzpuppen, ein Fuchs, eine Ente und eine Gans aus DDR-Produktion dem Renngeschehen zu. Die ausgestellten Spielsachen und auch die Kinderträume auf den Fotos hat Weinhold seit 1996 aus Kellern geholt oder auf Flohmärkten gekauft. „Vieles hatte ich aber auch noch selber“, erzählt der Fotograph. Für ihn soll die Ausstellung nicht nur sachlich über die Vergangenheit aufklären. Sie sei für ihn auch mit Emotionen verbunden, erklärt er. „Viele der West-Spielsachen hier, hat eine Bekannte damals von ihren West-Verwandten zugeschickt bekommen. Die Wohnen jetzt in der Nähe von Potsdam und entdecken ihr Spielzeug jetzt in der ehemaligen DDR wieder.“ Christian Klusemann
Erhart Hohenstein
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