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Landeshauptstadt: Heilsame Instrumentensammlung

Tischtrommel und Sansula: Liselotte Dreusicke bietet Musiktherapie für Krebspatienten an

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Innenstadt - Die Couch ist für Musikinstrumente reserviert: Eine kleine Zither, ein Regenrohr, eine Trommel. Noch mehr Instrumente liegen auf dem runden Teppich davor: Farbige Kastagnetten, Klanghölzer, Becken und exotisches Gerät, über dessen Namen man als Laie nur spekulieren kann. Während sich drei Frauen im Kreis um die Instrumente hinsetzen, nimmt Liselotte Dreusicke eines zur Hand: Ein Block mit Metallzungen, der auf einer kleinen Trommel befestigt ist. Die Musiktherapeutin schlägt die Metallzungen mit den Fingern an und entlockt der „Sansula“ perlende Klänge – die Atmosphäre in dem kleinen gemütlichen Raum in der Charlottenstraße 57 wird sofort ruhig und konzentriert.

Einmal im Monat kommt Liselotte Dreusicke in die Räume der Brandenburgischen Krebsgesellschaft, direkt gegenüber dem Bergmann-Klinikum. Hier leitet sie eine Gruppe mit Krebspatienten.

„Mit ein paar Sätzen zu sagen, was hier passiert, ist ganz schön schwierig“, sagt Liselotte Dreusicke. 60 Instrumente hat sie zur Verfügung: Anderthalb Stunden lang geht es um Klänge, Töne, Melodien und Rhythmen. Musizieren rege die Kreativität an, stärke das Selbstwertgefühl und helfe, Gefühle auszudrücken, sagte die Musiktherapeutin.

Die drei Frauen, die heute da sind, lassen verschiedene Instrumente im Kreis wandern. Jede spielt eine kurze Melodie. Das klingt mal energisch, mal zurückhaltend oder spielerisch probierend – beim Musizieren wird auch ohne Worte deutlich, wie sich die Frauen fühlen. „Man blamiert sich nicht, weil man nichts falsch machen kann“, erklärt Dreusicke.

Die Beschäftigung mit Musik wirkt anders als chemische Medikamente: Dass sie wirkt, sieht man den Frauen sofort an. Da ist zum Beispiel Gudrun W. Kluge, die vor vier Jahren zum ersten Mal in die Therapiestunde in der Charlottenstraße kam – sehr skeptisch, wie sie sich erinnert. Schon nach einer Stunde sah die Welt für die promovierte Ingenieurin anders aus: „Plötzlich hatten die Menschen andere Gesichter, weil ich ein anderes Gesicht bekommen hatte“, erzählt sie: „Heiter, locker, nicht mehr so gritzig.“ Auch Eleonore Hoffmann schwärmt: „Ich hab zwar keine Ahnung von Noten, aber ich freue mich jedesmal darauf.“ Als bei der gelernten Fotografin 2005 Brustkrebs diagnostiziert wurde, war es zunächst ein Schock: „Ich bin durch alle Höhen und Tiefen gegangen, die es nur geben kann“, erzählt die kräftige Frau. Zur Musikgruppe kam sie nach der Operation: „Man denkt ja, es hilft alles nichts“, erinnert sie sich. Mittlerweile ist sie aber anderer Meinung: „Es ist wichtig, in irgendeiner Gemeinschaft zu sein.“ Das bestätigt auch Rosel Russ, heute die dritte im Bunde: „Es ist wunderbar“, sagt die 74-Jährige, deren Chemotherapie erst ein Jahr zurück liegt. Auf das psychische Wohlbefinden zielen auch andere Angebote der Brandenburgischen Krebsgesellschaft, die 1990 als gemeinnütziger Verein gegründet wurde. Neben der Beratungsangeboten für Betroffene und Angehörige gibt es regelmäßig zum Beispiel Kosmetikseminare für Krebspatientinnen oder Workshops zur Naturheilkunde. Geschäftsführerin Bianka Rohne und die drei Mitarbeiter vermitteln außerdem Kontakte zu Selbsthilfegruppen und Spezialisten.

Zum Abschluss der Musikstunde setzen sich die Frauen erneut in einen Kreis. Den Mittelpunkt bildet diesmal eine Tischtrommel. Auf der trippeln, schlagen, klopfen und scharren sie noch einmal, wie um ihr Leben. Dann packt Liselotte Dreusicke ihre heilsame Instrumentensammlung ein. In drei Wochen ist es wieder soweit.

Die Musiktherapie-Gruppe trifft sich am 3. Montag des Monats. Die Teilnahme ist kostenlos. Tel.: (0331) 86 48 06.

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