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Landeshauptstadt: Heimkehr zu den Wurzeln

Erinnerungen an eine Kinderfreundschaft in der Bornstedter Ribbeckstraße

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Erinnerungen an eine Kinderfreundschaft in der Bornstedter Ribbeckstraße 1954 hieß es Abschied nehmen von den Bornstedter Kinderfreuden. Der Vater war wieder heimgekehrt. Nicht in den Osten Deutschlands, die DDR, die ihm viel ungerechtfertigtes Leid im Zuchthaus von Waldheim angetan hatte, sondern in den Westen. Braunschweig hieß die neue Adresse. Gerhard Joop konnte dort seiner journalistischen Arbeit ungehindert nachgehen. Seine Frau Charlotte und seinen Sohn Wolfgang, die in Bornstedt bei den Schwiegereltern auf dem großen Bauernhof lebten, holte er nach. Der Zehnjährige sah seine Freiheit, die er zwischen Salatköpfen, Obstbäumen, Schweinen und Gänsen, inmitten der „Frauenwirtschaft“ – Mutter, Großmutter und Tante Ulla kümmerten sich um die Erziehung – genoss, gefährdet. Sollte es auch ein Abschied vom geliebten Großvater werden? Zum Bornstedter „Finale“ wurde „Dornröschen“ gespielt. Wolfgang war der Prinz, Angela die Prinzessin, Heidemarie die gute Fee und der Autor dieser Erinnerungen durfte die interessanteste Rolle des Märchens spielen, die böse Fee. Das Lachen, das einer Hexe glich, erfüllte das Haus. Doch der Dornröschen-Prinz überwand die auch außerhalb des Märchenspiels sich windenden Dornen in Braunschweig. Trotzdem hatte er Heimweh nach Bornstedt. In den Ferien, die das Schuljahr ihm bescherte, durfte er nach Potsdam. Und so mancher Kumpel im „Dorf“ wartete auf ihn. Mit ihm konnte man schließlich wunderbaren „Unsinn“ aushecken und treiben. Er war auch nicht auf den Mund gefallen, ging immer auf den anderen freundlich zu, interessierte sich besonders für die schönen Dinge des Lebens. Zeichenblock und Buntstifte wurden Wolfgangs Utensilien. Mit Zwölf zeichnete er Figurinen, „zog“ sie mit den schönsten Kleidern an. Dann ging es durchs Haus. Und wer ihm begegnete, der musste jurieren. Hier wurde wohl bereits der Grundstein zum Modedesigner gelegt. Wolfgang zeigte sich in Bornstedt nicht als das verwöhnte Kind aus dem Westen, der mit den besser sitzenden Hosen und den edleren Hemden wie auf einem Laufsteg durch die Bornstedter Ribbeckstraße lief und die Leute zum Staunen animierte. Er blieb der Junge vom Bauernhof. Natürlich wurden viele Bekannte und Freunde von seiner künstlerischen Begabung angezogen. Und er genoss es. Dagegen war ihm die Mathematik ein Gräuel. „Und lautete die Aufgabe: ,Drei Frauen haben je 100 Mark. Wenn ein Pfund Butter 5 Mark kostet, wie viel Butter bekommt jede und wie kommen sie wieder nach Hause, wenn eine Fahrt mit der Bahn 10 Mark kostet?“, so überlegte er, was sie wohl zum Einkaufen angezogen haben könnten und ob sie verheiratet oder geschieden waren“, schreibt Wolfgang in seinem autobiografischen Roman „Im Wolfspelz“ (2003). Befreit von Mathematik und Pflichten konnte er die limitierten Zeiten in Bornstedt genießen: im biedermeierlichen Ambiente der Tante Ulla, in ihrem aus dem einstigen Gemüsegarten selbst gestalteten Park, bei Spaziergängen auf dem Friedhof oder im Park Sanssouci. Am liebsten aber ging er durch die Räume von Friedrichs Sommersitz. Während des Kunststudiums in Braunschweig und seines kometenhaften Aufstiegs zu einem der bekanntesten Modedesigner Deutschlands war er auch immer in Bornstedt sichtbar. Das Leben eines Modeschöpfers ist wohl immer von Turbulenzen geprägt und so sucht Wolfgang Joop hin und wieder die stille und heimelige Vertrautheit eines Ortes. Eines Tages, vor fünfzehn Jahren, fiel die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten. Wolfgang Joop machte sich auf, um in seiner Heimatstadt wieder ganz und gar Fuß zu fassen. In Bornstedt ließ er ein Stallgebäude in eine italienisch anmutende Villa für die Eltern umbauen, die sich ebenfalls wieder im Heimatort niederließen. Am Heiligen See sanierte er zwei wunderbare Villen für seine persönlichen und beruflichen Zwecke. Als Designer erwarb sich Wolfgang Weltruhm, doch probierte er sich auch in anderen Genres aus, beim Film, als Buchautor und Illustrator. Vor Überraschungen kann man bei ihm nie sicher sein. Die Wege von zwei Kinderfreunden verliefen im Laufe ihres Lebens natürlich verschieden, einer wurde jahrzehntelang im weltoffenen Westen begangen, der andere in der Enge der DDR. Und dennoch weiß der Weltmännische um seine Wurzeln, zu denen er immer wieder heimkehrt. Und der andere, der 60 Jahre in Bornstedt lebt, nimmt ohne Neid hin und wieder zur Kenntnis, was wieder einmal über JOOP! berichtet wird.

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