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Landeshauptstadt: Heimkehrer eingekleidet

1946 linderte die Volkssolidarität Kriegsnot, helfen heißt auch heute die Devise

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„Nach der Wende sind wir zurückgegangen zu unseren Wurzeln“, sagt Jörg Jutzi, Stellvertretender Geschäftsstellenleiter der Volkssolidarität (VS) Mittelmark, Potsdam und Brandenburg. Heute feiert der Regionalverband sein 65-jähriges Bestehen und wird einige der vielen ehrenamtlichen Helfer auszeichnen. Dazu ist auch Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller eingeladen, die Jutzi als eine sehr sozial engagierte Partnerin bezeichnet.

Rund 4400 Mitglieder hat der Bereich Potsdam immer noch, obwohl der VS nach der Wende keine Überlebenschancen eingeräumt worden waren. In der Stadt arbeiten 28 Mitgliedsgruppen, alle ehrenamtlich geleitet, und laden zur Freizeitgestaltung ein, organisieren Nachbarschaftshilfe und bieten auch einen Begleitservice an. „Wir sind nicht mehr nur die Organisation der Alten“, betont Jutzi. „So wurden wir in den letzten DDR-Jahren wahrgenommen mit unseren Rentnertreffs und Betreuungsangeboten von älteren Menschen. Wie kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kümmern wir uns wieder um alle Altersgruppen.“ Die Volkssolidarität betreibt zum Beispiel in Potsdam zwei Kindereinrichtungen, eine Kita in der Waldstadt und einen Wohnverbund für Jugendliche in Eiche. Sie bietet kostenloses Essen in der Suppenküche an. Dort können Obdachlose auch Morgentoilette machen. Über eine Spende der Mittelbrandenburgischen Sparkasse bekam sie einen Bus, der im Winter als Kältebus eingesetzt werden kann. „Wichtig ist uns aber immer wieder die Hilfe zur Selbsthilfe“, benennt Jutzi die Angebote der VS. Es gibt eine kostenlose Rechtsberatung, eine Alzheimer Kontaktstelle, einen Reparaturdienst, Trauerberatung, Patientenverfügung und die Begegnungsstätte Zeppelinstraße/Ecke Kiewitt. Das alles kann von sozial Bedürftigen jeder Altersgruppe genutzt werden.

Auch zu den freiwilligen Helfern gehören nicht nur die Lese-Omas in den Schulen, engagierte Senioren mit handwerklichen oder organisatorischen Fähigkeiten, sondern viele junge Leute mit sozialen Ambitionen. Hinzu kommt noch weltweites Engagement. Gestern ging wieder eine Sammlung von Handwerkszeug von der Nähmaschine bis zur Zange über den Hildesheimer Partner nach Afrika. „Wir haben in Eritrea eine Nähwerkstatt ausgerüstet“, erzählt Jutzi, „und in Gambia eine Ausbildungswerkstatt.“

Begonnen hatte die Volkssolidarität ihre Arbeit mit der Linderung der Nachkriegsnot. In Potsdam wurden zum Beispiel 1946 zusammen mit dem Karstadt- Kaufhaus 400 Kriegs-Heimkehrer eingekleidet. Die VS richtete Wärme- und Nähstuben ein, organisierte sogar Schuhtausch und half als erste Organisation bei der Enttrümmerung der Innenstadt. Die ersten kostenlosen Mittagessen gab es über Betriebe. Ab1950 wurde dann auch ein Kindergarten betrieben. Das alles geschah als Volksbewegung, zur Gründung einer Mitgliederorganisation kam es erst 1955. Die sei aber verhältnismäßig unabhängig geblieben bis sie in den 1970er Jahren zum „Teil des großen Ganzen wurde“, erklärt Jutzi ironisch lächelnd. So nach und nach hätte der Staat viele Aufgaben der Volkssolidarität übernommen und so sei der Eindruck einer Rentnerorganisation entstanden. Das habe sich zwar wieder grundlegend geändert, doch noch immer kranke der Ruf der Volkssolidarität daran, so Jutzi. H. Dittfeld

H. Dittfeld

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