Landeshauptstadt: „Heimliche Hauptstadt“ Deutschlands Potsdam im Visier des „Spiegel“ – eine Zäsur
Wie sich die Zeiten ändern! Potsdam, die Stadt an der Glienicker Brücke, hat pünktlich zum Jahrestag des Falls der Mauer vor 17 Jahren ein ganz besonderes Geschenk erhalten.
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Wie sich die Zeiten ändern! Potsdam, die Stadt an der Glienicker Brücke, hat pünktlich zum Jahrestag des Falls der Mauer vor 17 Jahren ein ganz besonderes Geschenk erhalten. Das nicht für Hofberichterstattung, Jubel-Arien und PR-Journalismus bekannte Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“ hat in seiner aktuellen Ausgabe Brandenburgs Hauptstadt zur „heimlichen Hauptstadt der Republik“ ausgerufen. Wirklich! Geneigter Leser, Sie haben sich nicht verlesen! Genau das ist das Fazit einer Reportage des Hamburger Magazins aus der Feder des Reporters und Buchautors Alexander Osang. Die journalistische Edelfeder hat, ganz nah, ganz menschlich, die „Reichen, Schönen und Mächtigen“ Deutschlands besucht, die sich bekanntermaßen hier, vorzugsweise am Heiligen See, „die größten Villen und die schönsten Grundstücke gesichert“ haben. „Nun spielen sie mit dem diskreten Charme der Bourgeoisie“ – zum Wohle dieser Stadt, was man in Potsdam wusste und längst als selbstverständlich ansieht. Bemerkenswert ist, dass sich die „Reichen“ pudelwohl fühlen – was gegen die verbreitete These spricht, Sozialneid sei hier stärker verbreitet als anderswo. Aber Potsdam, die „heimliche Hauptstadt“?
Der Befund markiert eine Zäsur. Vor elf Jahren, 1996, hatte das gleiche Magazin die Stadt schon einmal mit einem Titel versehen. Zitat: „Der Jammer-Ossi hat ein Zuhause. Potsdam.“ Leider war Potsdam damals wirklich noch die Jammer-Hauptstadt Ostdeutschlands. Man konnte sich auf eine Untersuchung von Leipziger Meinungsforschern berufen. Danach ging es den Potsdamern im Ost-Vergleich real zwar schon damals gut. Aber nirgendwo zwischen Rügen und Fichtelberg war die Stimmung so mies wie hier. Wir erinnern uns: Es waren die Jahre, als im Rathaus alles drunter und drüber ging, als sich die Stadtväter kraft ihrer Wassersuppe im Streit um das „Potsdam-Center“, gebaut wurde dann ja „nur“ ein Fünftel davon, mit der Bundesregierung des Kanzlers Helmut Kohl und der Unesco anlegten. All das ist lange her, glücklicherweise! Den meisten, nicht allen Potsdamern, geht es heute besser als damals. Und die Stimmung ist allemal eine andere.
Deshalb ist es höchste Zeit, es wenigstens einmal in preußischer Bescheidenheit auszusprechen: Im ewigen Prestige-Wettkampf mit Dresden ist Potsdam eindeutig an der Sachsen-Metropole vorbeigezogen, die nach den Wendewirren so viele Jahre die Nase vorn hatte. Jetzt legen sich die Dresdner mit der Unesco an, wegen einer Autobahnbrücke im Elbflorenz-Panorama ... Man liest es, staunt und denkt: Wer hätte das gedacht? Und jetzt auch noch der Ritterschlag als „heimliche Hauptstadt“ – da kann man nicht meckern. Für diese Enthüllung bleibt Potsdam eins: Danke lieber „Spiegel“!
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