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Von Michael Meyer: Heimliches Bad im Nachbar-Pool

Mit EM-Staffel-Silber kehrte die Potsdamerin Claudia Hoffmann gestern nach einer ausgiebigen Feier heim

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Der Tag danach sollte ganz ihren Lieben gehören. „Jetzt will ich den Erfolg in Ruhe im Kreis meiner Familie genießen“, sagte Claudia Hoffmann, nachdem sie am Montagnachmittag aus Barcelona heimgekehrt war. Am späten Sonntagabend war die Läuferin des SC Potsdam zum Abschluss der Leichtathletik-Europameisterschaften mit der 4mal-100-Meter-Staffel zu Silber hinter dem favorisierten russischen Quartett gelaufen. „Endlich“, war ihr erster Gedanke, nachdem sie vor der Britin Perri Shakes-Drayton durchs Ziel gerauscht war. „Ich laufe seit 2003 die Staffel, wollte immer eine Medaille – und jetzt habe ich sie. Ich hatte schon in der letzten Kurve den Schatten der Britin gesehen und dachte nur: Los, kämpfe, gib nochmal alles. Vorher wären wir auch mit Bronze zufrieden gewesen – Silber ist nun aber noch viel schöner“, meinte Hoffmann gestern nach ihrer Rückkehr, ehe sie mit ihrem Lebensgefährten David, den Eltern Angelika und Detlef, ihren Schwestern Manuela und Bettina sowie Heimtrainer Frank Möller in Berlin ihren bislang größten Erfolg feierte.

Da machte sie letztlich weiter, wo sie in Barcelona aufgehört hatte. Nachdem die Karlstädterin Fabienne Kohlmann, die Wattenscheiderin Esther Cremer, die Magdeburgerin Janin Lindenberg und sie als Schlussläuferin mit 3:24,07 Minuten noch schneller als im vergangenen Jahr bei den Weltmeisterschaften in Berlin waren (3:25,08), kannten Jubel und Trubel keine Grenzen. „Die drei Mädels vor mir sind schon über sich hinausgewachsen“, applaudierte Hoffmann gestern. „Alle haben einen Riesenjob gemacht, sonst wären wir nicht so schnell gewesen.“ Mit deutschen Fahnen um den Schultern ging es nochmal durch das halbe Stadion, nach der Siegerehrung stieß das Quartett mit den beiden Ersatzläuferinnen Jill Richards aus Berlin und Wiebke Ullmann aus Leverkusen sowie Bundestrainer Tobias Kofferschläger auf den Erfolg an. Für Fabienne Kohlmann und Claudia Hoffmann, die rasch mit ihrem David telefoniert hatte, war die Party aber auch nach der Abschlusszeremonie längst noch nicht zu Ende. „Wir beide haben weitergefeiert, sind noch ein bisschen um die Häuser gezogen, haben heimlich im Pool eines Gebäudes neben unserem Hotel gebadet und auf dem Zimmer weitergefeiert, ehe es um sieben zum Frühstück ging“, erzählte die Potsdamerin gestern.

Auf ihren Erfolg war am Sonntagabend auch in der Heimat gebührend angestoßen worden: bei den Eltern in Nauen ebenso wie in Fahrland bei Trainer Möller. Der verfolgte gemeinsam mit Claudia Hoffmanns Lebensgefährten auf der Terrasse seines Hauses das Rennen im fernen Spanien und war begeistert. „Claudias Medaille ist eine Bestätigung dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Kurz vorm Ziel wusste ich, dass sie nicht mehr überholt wird, da kam ihr auch das 800-Meter-Training entgegen“, erzählte der Coach. „Nach dem Vorlauf am Samstag hatte ich Claudia am Sonntagvormittag am Telefon gesagt, sie solle im Finale nicht so aggressiv wie am Samstag überziehen, sondern ihre Runde ruhiger angehen. Und vorm Fernseher habe ich dann für ihre Runde 49,9 Sekunden gestoppt – damit war sie noch schneller als im vergangenen Jahr bei der WM in Berlin.“

Auch Axel Richter strahlte zu Hause. „Das war für unseren Klub nach WM- Bronze 2003 durch den Geher Andreas Erm endlich mal wieder eine internationale Medaille bei den Erwachsenen. Eine EM-Medaille war es sogar erstmals seit 20 Jahren wieder“, sagte der Leichtathletik- Cheftrainer des SC Potsdam, der aus dem insgesamt guten Abschneiden des Potsdamer Quartetts in Spanien den Schluss zog, „dass man unsere jungen Leichtathleten dadurch weiter motivieren kann“. Auch Melanie Seeger sei mit ihrem vierten Platz im 20-Kilometer-Gehen über sich hinaus gewachsen. Dass Christopher Linke mit Magenbeschwerden im 50-Kilometer-Gehen habe aufgeben müssen, sei ebenso Pech gewesen wie die knapp verpasste Bronzemedaille der Viermal-400-Meter- Staffel der Männer mit dem Potsdamer Schlussläufer Thomas Schneider.

Schneider hatte am Sonntagabend im letzten EM-Wettbewerb trotz eines tollen Endspurts die deutschen Viertelmeiler nicht mehr an Belgien vorbei auf Rang drei laufen können. „Wir hatten gehofft, in die Nähe einer Medaille zu rennen. Dass es so knapp wird, hätte ich nicht gedacht“, sagte der 21-Jährige dazu. „Zunächst musste ich den Polen und den Italiener außen überholen, das hat vielleicht Körner gekostet, aber ich musste es einfach probieren, um die Medaillenchance zu wahren. Das war wie ein Tollhaus auf den letzten 50 Metern. Ich habe mich ins Ziel geschmissen, leider hat es sich nicht gelohnt.“ Entsprechend groß war nach 3:02,65 Minuten zunächst die Enttäuschung bei Kamghe Gaba (Frankfurt/Main), Bastian Swillims (Wattenscheid), Eric Krüger (Magdeburg) und Schneider, die Bronze um nur fünf Hundertstelsekunden verpassten. „Wir haben aber alle Vier ein klasse Rennen abgeliefert“, so der Potsdamer später.

Für ihn geht nun ab heute daheim in Cottbus das Training weiter, denn in zwei Wochen will er noch bei den Deutschen U23-Meisterschaften in Regensburg laufen. Claudia Hoffmann wird bereits am kommenden Sonntag wieder antreten; in Ulm will sie gemeinsam mit den Zwillingen Elina und Diana Sujew den Deutschen Meistertitel über 3 x 800 Meter nach Potsdam holen. Ehe sie dann am 4./5. September im kroatischen Split beim Continental-Cup mit ihrer Staffel um 30 000 Dollar Preisgeld und eine Woche später beim Decanation im französischen Annecy die 400 Meter laufen wird, macht sie mit ihrem David aber erst einmal Urlaub in der Dominikanischen Republik. Die Reise dorthin hatte die Potsdamerin beim Deutschen Sportpresseball 2009 in Frankfurt (Main) gewonnen. „Mein Los“, erinnerte sie sich gestern, „hat damals Ariane Friedrich gezogen.“ Die Hochspringerin kehrte nun mit Bronze von den EM heim, Claudia Hoffmann mit Staffel-Silber.

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