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Hitze. Die Stadt lechzt nach einer Abkühlung, doch das Havelwasser misst 27 Grad Celsius.

© Sebastian Gabsch (3), Andreas Klaer

Von Jan Brunzlow, Kay Grimmer und Matthias Matern: Heiß, heißer, Potsdam

Es war nie so trocken und selten so heiß. Ärzte warnen, ältere Menschen verzichten auf Spaziergänge

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Die Hitze hat Potsdam fest im Griff. Seit Anfang Juli sind in der Landeshauptstadt acht heiße Tage, also Tage mit Temperaturen über 30 Grad Celsius, gemessen worden. Ein Spitzenwert, denn damit ist Potsdam die zweitheißeste Stadt Deutschlands nach dem rheinland-pfälzischen Bendorf mit neun heißen Tagen, sagte Meteorologin Dorothea Paetzold vom Deutschen Wetterdienst. Kommt es nun zu einer Jahrhunderthitze? Die ersten Wetterextreme aus den letzten 117 Jahren sind in Potsdam bereits geknackt. So war der Juni 2010 der trockenste Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1893.

DAS WETTER

Der Mai war zu kalt und überaus nass, der Juni war sehr trocken, der Juli ist heiß und sonnenreich. Rekordmarken wie die Anzahl der Sonnenstunden, die längste Hitzeperiode und der heißeste Tag könnten geknackt werden. Die längste, seit 1893 in Potsdam gemessene Hitzeperiode war vom 23. Juli bis zum 6. August 1969 – an 15 Tagen in Folge war es heißer als 30 Grad Celsius, unerreicht bis heute. Sonnenstunden sind in den ersten zehn Tagen im Juli täglich fast zwölf gemessen worden. Sollte sich der Trend fortsetzen, wäre es ein neuer Rekord. Denn der sonnenreichste Juli wurde 1994 verzeichnet, damals schien durchschnittlich täglich 11:48 Stunden die Sonne.

REGEN?

Wo häufig die Sonne scheint, da fehlt das Wasser. So auch im Juli: Bis gestern Nachmittag haben die Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes mit Sitz auf dem Telegrafenberg in Potsdam nur 0,2 Liter Niederschlag im Juli in der Landeshauptstadt gemessen. Nach dem trockenen Juni – es war mit 6,2 Litern Regen pro Quadratmeter ein Rekordmonat – hat sich dieser Trend fortgesetzt: Auch für die nächsten Tage dämpfen die Meteorologen die Hoffnung auf ausgiebigen Niederschlag. Dabei war der Monat Juli in den vergangenen zehn Jahren mit durchschnittlich 78 Litern Niederschlag pro Quadratmeter regelrecht nass. Der Rekord des bisher trockensten Julis wurde 1971 registriert: Damals fielen 5,1 Liter Regen.

ABKÜHLUNG

27 Grad Celsius – wirkliche Abkühlung verspricht das Havelwasser nicht mehr. Doch Extremwerte sind es laut Frank-Holger Ulrich vom Landesumweltamt nicht. Ganz natürlich sei jetzt auch die Algenbildung. „Die wachsen und gedeihen bei diesem Wetter sehr gut.“ Bislang sind es nur die ungefährlichen Grünalgen, die es sowieso schon gibt. Eine Blaualgenbelastung gebe es nicht. Diese können Hautreizungen bei empfindlichen Menschen sowie Übelkeit bei Kindern hervorrufen, wenn diese Wasser geschluckt haben. Auch den Havelfischen droht noch kein Sauerstoffmangel, die Wasserqualität sei noch ausreichend. Schwierig könne es nur werden, wenn Starkniederschlag den gesamten Straßendreck auf einmal in die Gewässer spüle. Dann könne es zu starker Sauerstoffzehrung kommen.

LUFT

Die ist auf jedem Fall heiß. Die Ozonwerte lagen gestern laut Landesumweltamt allerdings in Potsdam unter dem Grenzwert. Dagegen erreicht die Feinstaubbelastung in der Zeppelinstraße und der Großbeerenstraße in dieser Woche die zulässige Jahreshöchstzahl der Überschreitungen. Der Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter darf an 35 Tagen überschritten werden – bislang stieg der Wert laut Umweltamt an den Messstellen an 33 bzw. 31 Tagen über den Grenzwert.

KRANKENHÄUSER

Ernstliche Folgen für das körperliche Wohlbefinden der Potsdamer scheint die Hitzewelle bislang nicht verursacht zu haben. Zumindest in der Notaufnahme des Klinikums „Ernst von Bergmann“ wurde gestern kein Anstieg hitzebedingter Notfälle registriert. „Es sind weit weniger Fälle, als man annehmen könnte“, berichtete Notarzt Ole Baumann den PNN. Auch am Wochenende habe es diesbezüglich keine außergewöhnliche Häufung gegeben. Eine exakte Zahl der Patienten, die mit Beschwerden aufgrund der hohen Temperaturen und der starken Sonneneinstrahlung die Notaufnahme aufgesucht hätten, könne er aber nicht nennen. „Wir haben an manchen Wochenenden täglich bis zu 150 Patienten und führen nicht darüber Buch, wie viele davon mit welchen Symptomen kommen“, so Baumann. Typische Beschwerden bei dieser extremen Witterung seien Kopfschmerzen, Übelkeit, Kreislaufprobleme, Herzrasen oder Schwindelanfälle. Zwar seien ältere Menschen bei extremer Hitze besonders anfällig, dafür würden sich jüngere Personen häufig auch bei sehr hohen Temperaturen anstrengenden Belastungen aussetzen, berichtete der Mediziner aus Erfahrung. Generell sei es derzeit ratsam, körperliche Anstrengungen zu meiden und viel zu trinken. „Möglichst mehr als die obligatorischen drei Liter täglich“, empfahl Notarzt.

PFLEGEHEIME

Ein verwaister Garten in der Sommerhitze: Die Bewohner des Seniorenheims „Residenz Heilig Geist“ an der Freundschaftsinsel bleiben fast ausschließlich im Haus, sagt Geschäftsführer Hans-Jürgen Kuessner. Tipps an die Bewohner seien, viel zu trinken, Hände unter fließendem Wasser kühlen, wenig Bewegung und keine übermäßige Anstrengung. Das Essen sei leicht, viele Salate würden angeboten, so Kuessner. Im Haus Abendstern Am Stern wird ähnlich verfahren. Das Motto: Füße still halten und viel trinken. Dabei wird auf Ratschläge der Aufsicht zurückgegriffen: Die Räume werden tagsüber abgedunkelt, die 136 Bewohner immer wieder ermuntert, zu trinken und wasserhaltiges Obst und Gemüse zu essen. Die Belegschaft werde mit Eis bei Laune gehalten. In dem Seniorenheim gibt es keine Klimaanlage – Lüfter und feuchte Tücher sollen den Aufenthalt erträglich machen.

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