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Landeshauptstadt: Heizen wie zu Kaisers Zeiten

Der „Kreml“ auf dem Brauhausberg ist eine Herausforderung – muss aber noch eine Weile durchhalten

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Teltower Vorstadt - Bis Brandenburgs Parlament im Jahr 2012 in das aufgebaute Potsdamer Stadtschloss umzieht, muss es noch auf dem Brauhausberg ausharren. Und zwar im „schäbigsten Landtagsgebäude Deutschlands“, wie Parlamentspräsident Gunter Fritsch (SPD) am Donnerstag auf einer Sonderführung nachwies. Sie führte unter anderem über verstaubte Dachböden, durch Kellerkatakomben und andere Ecken des Gebäudes, die normalerweise der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Fritschs Fazit: „Es wird Zeit, dass wir ein vernünftiges Haus bekommen.“

Bis dahin aber bleibt die 1902 im Stil einer Trutzburg errichtete preußische Kriegsschule, vor 1989 Sitz der SED-Bezirksleitung und deshalb im Potsdamer Volksmund „Kreml“ genannt, für die heutigen Hausherren täglich eine Herausforderung: Verwinkelte Gänge, ungenügende Fluchtwege, marode Elektroanlagen, Rattenfallen im Keller. Allein schon die Heizung ist ein besonderes Unikat, das nostalgische Technikfreaks begeistern würde: Abgesehen von den nach 1990 eingebauten modernen Gasthermen stammt das gesamte Rohrsystem noch aus dem Jahr 1902, erläuterte Haustechniker Andreas Behnicke. Es sei eine im Land Brandenburg wohl einmalige Druckheizung, bei der nicht Wasser, sondern Wasserdampf, über 100 Grad heiß, in die Rohre gepresst werde – wie vor mehr als einhundert Jahren. Und siehe da, es funktioniert immer noch. „Es ist aber jedes Mal ein Nervenkitzel, das Haus warm zu bekommen“, verriet Behnicke. Aber es sei schon erstaunlich, dass die über hundertjährigen Stahlrohre aus der Kaiserzeit am längsten halten. „Damals war der Stahl besser.“

Wo man auch hinguckt, ist die Substanz im „Kreml“ malade – von den unverwüstlichen Grundmauern des Gebäudes einmal abgesehen. Damit der Betrieb aufrechterhalten werden kann, investiert der Landtag – eine Grundsanierung gab es nie – jährlich rund 240 000 Euro in Notreparaturen und dringende Instandsetzungen. Ein paar Mal schon standen Teile des Gebäudes vor der baupolizeilichen Sperrung. Da wurden dann Elektroleitungen ausgewechselt, oder Dächer repariert – bis zum nächsten Mal. Jetzt soll im Plenarsaal die Tonanlage erneuert werden, für einen sechsstelligen Betrag, damit das Parlament seine Aufgabe bis zum Schluss erfüllen kann. Mit Spannung erwartet die Landtagsverwaltung die Landtagswahl im kommenden Jahr: Zwar wird sich die Zahl der 88 Abgeordneten nicht verändern. Doch wenn vielleicht doch auch FDP und Grüne wieder einmal den Einzug ins Parlament schaffen sollten, gäbe es sofort ein Problem. „Hier platzt alles aus den Nähten, es gibt nicht genügend Sitzungsräume“, so Fritsch.

Was aus dem Potsdamer Wahrzeichen auf dem Brauhausberg nach dem Auszug des Landtages einmal wird, ist bislang völlig offen.

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