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Szenen eines Triumphes. Anna Felicitas Sarholz hielt gestern vier Elfmeter und wurde danach von ihrer Mannschaft gefeiert (rechts oben). Zuvor hatte Tabea Kemme getroffen (rechts Mitte). Faire Geste: Annike Krahn gratulierte Jennifer Zietz (rechts unten).

© M. Thomas

Von Michael Meyer: Heldin im Elfmeter-Krimi

Anna Felicitas Sarholz glänzte im Turbine-Tor bei Potsdams Einzug in das Champions-League- Finale durch ein 4:1 gegen den FCR Duisburg

Stand:

Sie streckte jubelnd die Faust in den Himmel und blieb doch ganz bodenständig: Torhüterin Anna Felicitas Sarholz war gestern die Heldin im Babelsberger Karl- Liebknecht-Stadion, in dem 4522 (!) Zuschauer den Einzug Turbine Potsdams ins Endspiel der UEFA Women’s Champions League am 20. Mai in Madrid erlebten. Nach 120 Minuten plus Elfmeter-Krimi hatte Turbine im Halbfinal-Rückspiel den FCR Duisburg aus dem Rennen geworfen. Tabea Kemme egalisierte bei ihrer ersten Ballberührung nach der Einwechslung mit ihrem 1:0 per Kopf Duisburgs Vorsprung aus dem Hinspiel (62.), und im Elfmeterschießen wuchs die erst 17-jährige Sarholz über sich hinaus, als sie vier Schüsse vom Punkt hielt. Gegen Torjägerin Inka Grings. Gleich zweimal gegen Linda Bresonik, da sie sich auf der Linie zu früh bewegt hatte und es die Duisburgerin noch einmal versuchen durfte. Schließlich gegen die kurz vor Spielschluss extra eingewechselte Irini Ioannidou. Danach schien die Ballfängerin im Jubelsturm ihrer Mannschaft fast zu ertrinken.

„Elfer habe ich schon öfter gehalten, gleich vier in einem Spiel aber noch nie“, erzählte Anna Felicitas Sarholz, von ihren Freunden nur „Felix“ gerufen, nach dem Abpfiff. „Unser heutiges Weiterkommen gelang aber nur durch die Leistung unserer ganzen Mannschaft. Ohne Tabbis Tor wären wir gar nicht bis ins Elfmeterschießen gekommen.“ Lange sah es gestern in der Tat nicht nach einem Tor hüben wie drüben aus. Potsdam und Duisburg erspielten sich kaum zwingende Chancen, ehe Kemme nach einem Eckball Fatmire Bajramajs und einem abgewehrten Schuss Babett Peters aus Nahdistanz zur Führung einköpfte. „Danach wussten wir: hier geht noch was“, meinte die 18-Jährige nach ihrem ersten Champions-League-Tor, das bei den Gästen Wirkung hinterließ. Der FCR spielte fortan kaum noch zwingend, Turbine wurde immer dominanter. „Unsere Offensivleistungen waren nicht so gut, um uns hier durchzusetzen, und das hat sich nahtlos bis ins Elfmeterschießen fortgesetzt“, monierte Gäste-Trainerin Martina Voss-Tecklenburg später. Und beklagte sich über „Beleidigungen tief unter der Gürtellinie, die ich mir von Zuschauern anhören musste“. Die Ex-Nationalspielerin forderte Potsdams Verantwortliche dringend auf, dagegen vorzugehen.

Turbines Cheftrainer Bernd Schröder zeigte sich hocherfreut vom Sieg. „Das Champions-League-Finale ist für uns was ganz Großes. Die Sportstadt Potsdam, das Land, die Region und der Osten können stolz auf diese Mannschaft sein.“ Auch wenn Sarholz im Rückspiel stark gehalten habe, werde neu überlegt, ob im nächsten Bundesliga-Spiel beim FFC Frankfurt sie oder Desiree Schumann im Tor steht. „Wir überlegen jedesmal neu. Wir haben keine Nummer eins und zwei im Tor, sondern haben zu beiden Torfrauen Vertrauen“, erklärte der Coach. „Ich weiß auch noch nicht, wer in Madrid im Kasten stehen wird.“

Anna Felicitas Sarholz will in diesem Jahr in der 12. Klasse der Potsdamer Sportschule ihr Fachabitur machen und anschließend ein freiwilliges soziales Jahr unter anderem als Nachwuchstrainerin in ihrem Verein leisten. Sie hatte gestern erst 40 Minuten vor dem Anpfiff von ihrem Einsatz erfahren und scheint mit ihrer Situation gut umgehen zu können. „Desiree hätte das genauso gut gekonnt“, erklärte sie nach ihren Glanztaten. „Schließlich wollen wir alle zusammen Erfolg haben. Wir sind zwei Torhüterinnen auf Augenhöhe. Vor jedem Spiel wird neu gewürfelt.“

Wer Potsdams Gegner im Madrider im Stadio Coliseum Alfonso Perez Getafe sein wird, steht noch nicht fest, da das zweite Halbfinal-Rückspiel zwischen Umea IK und Olympique Lyon wegen der derzeitigen Flugbeschränkungen in ganz Europa gestern ausfiel. Fest steht aber, dass dem Deutschen Meister im Falle des Erfolges in Spanien rund 300 000 Euro aus der UEFA-Schatulle winken. 200 000 Euro erhalten beide Finalisten von der Europäischen Fußball-Union, um alle Unkosten für das Endspiel zu bestreiten.

Turbines Mannschaftskapitän Jennifer Zietz wird im Mai auch mit einem weinenden Auge dorthin fliegen. „Am Tag nach dem Finale heiraten meine Mutti Beate und ihr Lebensgefährte Jörg. Da sollte ich eigentlich Trauzeugin sein. Nun freut sich meine Schwester Jacqui, die das jetzt machen darf“, so die 26-Jährige, die sich nun auf die Partie in Frankfurt vorbereitet.

Anna Felicitas Sarholz dagegen reist heute per Flieger oder Bahn mit dem U20- Nationalteam zu einem Länderspiel in Leicester gegen Gastgeber England. Zweite deutsche Torhüterin dort wird Desiree Schumann sein. Nun hat auch DFB-Trainerin Maren Meinert die Qual der Wahl.

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