Ehrenamt: Helfer auf Reisen
Angefangen hat es mit einem Urlaub in den 1970er Jahren. Heute organisiert Joachim Untenzu Hilfstransporte für arme Familien in Rumänien
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Potsdam - Joachim Untenzu schließt die zehn Garagen auf und zeigt die Schätze. Hinter den Doppeltüren aus grobem Holz lagert, was hier im Land niemand mehr braucht oder will, Möbel, Fernseher, Medizintechnik. In Rumänien wird alles, wenn es die Mitglieder des Vereins Rumänienhilfe auf einer ihrer Fahrten dorthin gebracht haben, von großem Nutzen sein. Etwa sechs Hilfstransporte nach Siebenbürgen organisiert der Verein im Jahr: wie oft Joachim Untenzu schon mitgefahren ist - er erinnert sich nicht.
Der 69-Jährige ist seit 20 Jahren mit dabei, damals arbeitete er noch als Kesselwärter und Heizungsfachmann. In den Siebzigern war er einmal in Rumänien im Urlaub gewesen, wie viele seiner Mitvereinsmitglieder drängt es ihn nach der Wende zu helfen, als man es dann endlich kann. 1992 fährt er das erste Mal mit, dann wird es immer mehr - heute arbeitet der Ruheständler bis zu 100 Stunden im Monat ehrenamtlich für den Hilfsverein. "Mit Genehmigung meiner Frau!", beeilt er sich zu sagen. Seine Frau ist kein Vereinsmitglied, sondern halte zu Hause die Stellung, sagt Joachim Untenzu resolut. Natürlich finde sie sein Engagement in Ordnung, allerdings mache sie sich manchmal Sorgen, wenn er unterwegs ist in Rumänien. Natürlich könne da mal ein Unfall passieren, auch wenn die neuen Straßen in der Regel tipp-topp sind. "Aber bis jetzt hat uns der liebe Herrgott jedes Mal heil und gesund nach Hause geführt", sagt Untenzu.
Es ist ein guter Teil christlicher Überzeugung, der ihn und seine Mitstreiter leitet und motiviert. Einmal im Monat treffen sie sich in den Gemeinderäumen der Nikolaikirche zu Besprechungen, dort ist auch das Lager für Kleiderspenden. Einmal im Monat, an einem Samstag, fährt Joachim Untenzu zu dem Garagenkomplex nach Bornstedt, wo die großen Posten lagern, die sie aus Verwaltungsgebäuden, Kliniken und auch privaten Händen bekommen: darunter komplette Büroeinrichtungen, Krankenhausbetten, Rollstühle, Fernseher, Nähmaschinen, Küchen- und Polstermöbel. Aber auch Baumaterial, Fenster und Türen samt Zargen. "Die Armut in Rumänien ist mancherorts unvorstellbar", sagt Untenzu. "Wenn die dann so ein Fenster für ihr kleines Häuschen bekommen, wird das sofort eingebaut und gestrichen, und manchmal motiviert das die ganze Familie, mehr auf sich selbst zu achten."
Am Samstag im Oktober hat Untenzu die Fahrräder durchgesehen und stapelt sie anschließend auf den Hänger. Es sei nicht so wichtig, ob etwas kaputt sei, "das reparieren wir oder die Rumänen selbst, dann wird aus zwei Rädern eben eins", sagt er.
Er ist der Mann mit dem Überblick, sagen seine Kollegen, weiß immer genau, wer was gebrauchen könnte, er kennt die meisten Familien in Rumänien, und wenn ihnen hier etwas angeboten wird, hat Untenzu gleich die potenziellen Empfänger im Kopf.
Jetzt haben sie im Verein wieder eine neue Idee: In diesem Jahr haben sie zum ersten Mal zehn Schafe gekauft und an zwei Familien verteilt. Nach fünf Jahren sollen die Schafe in den Besitz der Familien übergehen. Bis dahin müssen sie jedes Jahr die Lämmchen an weitere Familien abgeben. Hilfe zur Selbsthilfe.
Es gibt immer so vieles zu organisieren, insbesondere vor den Fahrten. Spendengüter abholen, Autos instand setzen, oder Papierkram, wie er es nennt, Hotels reservieren zum Beispiel. "Mit dem Internet geht jetzt vieles leichter", sagt er, und erinnert sich mit Grausen an die Zeiten, als noch Listen für den Zoll ausgefüllt werden mussten. Heute reicht an der Grenze der Personalausweis.
Wo die neuen Straßen aufhören, beginnen Schotterpisten und Feldwege, dann geht es nur langsam vorwärts oder per Pferdefuhrwerk. Vor Ort in Rumänien haben sie Kooperationspartner, die die Verteilung der Hilfsgüter übernehmen oder anleiten, sie kennen die Situation der Familien und wissen, wer was braucht - oder vielleicht auch nicht mehr braucht, weil die Not nicht mehr so schlimm ist, wenn eine Familie es jetzt allein schafft.
Auch der Verein, momentan etwa 40 Mitglieder im Alter 40 plus, kann die Arbeit nur mit viel Kraft stemmen. Jede Fahrt kostet Geld, für Sprit und die Autos, alles Privatautos und dazu ein großer Hänger, und die werden auch nicht jünger. Deshalb muss jeder Mitfahrer in die Portokasse einzahlen, außerdem geht für die Reise Urlaub drauf. Und doch tun sie es gern, jedes Mal wird ein kleines Kulturprogramm absolviert, Burgen angeschaut, landschaftliche Höhepunkte. Es ist ein schönes Land, sagen sie.
Weil sie schon so lange durchhalten, gab es vor wenigen Wochen den Freiwilligenpass des Landes für neun Vereinsmitglieder. Verdient hätten es alle Mitglieder, sagen die Ausgezeichneten. Auf die Frage, wie lange Joachim Untenzu den Job noch machen wird, antwortet er mit einem Aufruf: "Wir suchen händeringend Ersatz, denn irgendwann können wir Alten dann doch nicht mehr".
DAS PROJEKT // Der Verein Rumänienhilfe
Der Verein wurde 1990 auf Initiative von Menschen gegründet, die seit Mitte der 1980er Jahre Hilfstransporte nach Rumänien organisierten. Derzeit engagieren sich im Verein etwa 40 Mitglieder. Zweimal im Monat treffen sie sich zum Arbeitseinsatz - um Spenden abzuholen, gespendete Kleidung und Güter zu sortieren und für den nächsten Transport zusammenzustellen. Etwa fünfmal im Jahr fahren sie mit den Hilfsgütern in die Region nach Siebenbürgen. Kurzfristig werden dann Lebensmittelspenden von Potsdamer Fleischern und Bäckern entgegengenommen. www.rumaenienhilfe-potsdam.de spy
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