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Der Seismologe. Rainer Kind neben einem Monitor im Geoforschungszentrum mit Werten zum Erdbeben von Honshu.

© Bernd Settnik

Landeshauptstadt: Helfer vom Telegrafenberg

Potsdamer Forscher registrierten mehr als 420 Beben allein in dieser Woche in der Region Honshu

Stand:

Potsdamer Forscher versuchen Japan mit ihrem Fachwissen aus der Ferne zu helfen. Geophysiker, Geologen und Erdbebenforscher vom Geoforschungszentrum (GFZ) auf dem Telegrafenberg haben in den letzten Tagen Animationen und Computersimulationen des starken Erdbebens entwickelt, die sie ihren japanischen Kollegen zur Verfügung stellen. So hat der Geophysiker Joachim Saul eine Sequenz erstellt, in der alle Beben seit Mittwoch der Vorwoche im März zu sehen sind. Jeder Kreis auf der Karte symbolisiert ein Beben – je größer der Kreis, desto stärker das Beben. Schon wenige Sekunden nach dem Start der Animation ist Japan nicht mehr zu erkennen, denn insgesamt haben die Potsdamer Wissenschaftler seit dem 9. März in der Region Honshu 428 Beben registriert.

Die Stärke des Erdbebens war allerdings auch für die Forscher völlig unerwartet, resümieren sie. Zunächst hatte es dort ein Erdbeben mit einer Magnitude von 7,2 gegeben. Dies komme häufiger vor in Japan, sagte Professor Rainer Kind vom Geoforschungszentrum. „Dass das nur ein Vorbeben war, hat niemand gedacht.“ Doch an fast exakt der gleichen Stelle sei dann zwei Tage später das Hauptbeben registriert worden – das Stärke 9 erreichte.

Die Auswirkungen sind für die Geologen exakt messbar: Die Tage wurden kürzer, die Erdachse hat sich verschoben und in der Antarktis rutschten Gletscher – ausgelöst durch die Ereignisse 150 Kilometer vor der japanischen Küste. Dort habe sich bei dem großen Beben der Meeresboden um etwa 20 Meter Richtung Osten verschoben. Zur Entstehung der Erdbebenkatastrophe in Japan haben Rainer Kind und seine Kollegen neue Erkenntnisse gewonnen und eine Computeranimation erstellt. „Wir wissen nun, was sich genau abgespielt hat.“

In nur etwa zwei bis drei Minuten nach dem schwersten Beben sei der Meeresboden gebrochen, dann folgten in der nächsten halben Stunde drei weitere Beben immer noch mit einer Magnitude über 7. „Diese Häufung von Beben führte dann zu dem Tsunami mit der gewaltigen Kraft“, zeichnet Kind den Ablauf nach. Stellenweise hätten sich dann die Küstenlinien um fünf Meter verschoben – aber immer weniger, je weiter die Region vom Zentrum des Bebens entfernt war. Aus diesen Messungen konnte auf Verschiebungen direkt im Erdbebenherd geschlossen werden. Die Pazifische Platte habe sich unter den Rand Japans geschoben, Spannungen entstanden, die sich dann wieder lösten, als die asiatische Platte wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückschnellte.

Mit den neuen Informationen könnten Frühwarnsysteme verbessert und noch effektiver gestaltet werden, sagte Kind. Etwa 500 japanische GPS-Stationen – vergleichbar dem Navi im Auto – zeichneten die Daten auf, die jetzt von den Potsdamer Forschern verwendet wurden.

Anderenorts werden ebenfalls genaue Bilder des Geschehens geliefert: Die Mitarbeiter des „Zentrums für satellitengestützte Kriseninformation“ im bayerischen Oberpfaffenhofen haben sofort nach dem Beben damit begonnen, ihre Satelliten auf die Region in Japan auszurichten, um schnellstmöglich Bilder vom Katastrophengebiet zu bekommen. Das Zentrum kommt immer dann zum Einsatz, wenn irgendwo auf der Welt Dämme brechen, Flüsse über die Ufer treten, Hurrikans und Tsunamis wüten oder die Erde bebt. Satellitenbilder sollen helfen, einen Überblick über das Krisengebiet zu bekommen und die Bergung von Opfern zu organisieren. Regelmäßig sind die Fachleute in Bayern in Kontakt mit ihren japanischen Kollegen. „Die sind selbst top ausgestattet“, sagt Voigt, „aber die kommen mit der Arbeit einfach nicht nach.“ Die Japaner bitten deshalb die Deutschen um spezielle Analysen und Auswertungen – mit den Auswirkungen des Unglücks werden Forscher noch Jahrzehnte zu tun haben. Christiane Jacke/Gudrun Janicke

Christiane Jacke, Gudrun Janicke

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