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Bewerbung im Minutentakt beim Chef-Dating.

© Andreas Klaer

Von Jana Haase: Herzklopfen und Routine

In Zeiten drohenden Fachkräftemangels zeigt sich die Arbeitsagentur erfinderisch und lud zum „Chef-Dating“ ein

Stand:

Romantisch ist die Situation nicht. Aber Herzklopfen haben die meisten trotzdem, wenn sie zum Bewerbungsgespräch gehen. Nicht ohne Grund: Schließlich geht es um die persönliche Zukunft und eine mehr oder weniger langfristige Partnerschaft – das Arbeitsverhältnis. Ob das glücken könnte, muss in vergleichsweise kurzer Zeit geklärt werden. So gesehen handelt es sich um eine Art „Date“.

Kerzenlicht und gediegene Musik fehlten jedoch erwartungsgemäß beim ersten „Chef-Dating“, zu dem das Hochschulteam der Arbeitsagentur Potsdam am Montagabend eingeladen hatte. 15 Chefs und Personaler trafen in den Räumen am Horstweg auf 60 Hochschulabsolventen – und das im Schnellverfahren. Denn die Arbeitsvermittler hatten nicht nur die Parallelen zwischen Arbeits- und Liebesleben wörtlich genommen, sondern auch den Trend zum „Speed-Dating“, bei dem die Kandidaten in Minimalzeit abchecken, ob sie zusammen passen. Nach nur zehn Minuten Gespräch erklang deshalb die Glocke. Ein Reglement, das strikt eingehalten wurde.

„Für mich ist das eine Gelegenheit, um sehr schnell gute Arbeitgeber kennenzulernen“, erklärte Melanie Mulack in einer der kurzen Pausen: „Man umgeht den Bewerbungsprozess und kann sich sofort persönlich präsentieren.“ Nach ihrem BWL-Abschluss im vergangenen Jahr habe sie bereits ein längeres Praktikum absolviert, sei jedoch nicht übernommen worden, erzählte die 26-Jährige: „Jetzt bin ich wieder auf der Suche.“ Auf das Chef-Dating hat sie sich gründlich vorbereitet: „Ich habe Bewerbungen geschrieben, auf die Unternehmenshomepages geguckt und mich informiert“, sagte sie.

Hochschulabsolventen zählen eigentlich nicht zu den Sorgenkindern der Arbeitsvermittler: Von den insgesamt 6644 Arbeitslosen in Potsdam haben 772 einen Hochschulabschluss, sagte Arbeitsagentur-Sprecherin Isabell Wolling. Ziel der neuen Aktion sei es vielmehr, die Absolventen in Zeiten des Fachkräftemangels in der Region zu halten. Denn gerade die vielen kleineren Betriebe der Region könnten sich Kampagnen zur Rekrutierung von qualifiziertem Nachwuchs nicht leisten. Von 150 angeschriebenen Unternehmen hätten sich 15 zu dem Dating-Abend bereit erklärt, so Wolling – die meisten davon im technischen Bereich. Aber auch Arbeitsagenturchefin Edelgard Woythe selbst saß an einem der 15 durchnummerierten Tische: „Wir suchen Vermittler“, sagte Isabell Wolling.

„Für uns bedeutet so ein Abend viel Zeitersparnis bei der Personalsuche“, erklärte Theda Pförtner von der Personalabteilung des Potsdamer Autohaus Ehrl. Ihre Firma braucht einen Controller, der Finanzplanungen und Bilanzen erstellen kann. Vor dem Chef-Dating hatte Theda Pförtner eine Frageliste erarbeitet. „Interessant ist alles, was nicht im Lebenslauf steht“, erklärte die Personalerin. Und auch einen Test führte sie mit ihren Kandidaten durch: Konnten die sich am Ende des Gesprächs an die Umsatzzahlen erinnern, die Pförtner am Anfang genannt hatte? „Wir suchen einen Zahlenmenschen, der muss sowas können“, erklärte sie.

Bei den Hochschulabsolventen sei das neue Angebot auf großes Interesse gestoßen, sagte Arbeitsagentur-Sprecherin Isabell Wolling. Eine Neuauflage im kommenden Jahr sei deshalb sicher. Insgesamt 178 Gespräche zählte sie am Ende des zweieinhalbstündigen Dating-Marathons. 119 Bewerbungsmappen seien übergeben worden: „Das ist ein erstes Zeichen dafür, dass die Chemie stimmt.“

Bei manchem Kandidaten ist das anfängliche Herzklopfen auch der Routine gewichen. „Ich bin jetzt ganz locker“, sagte etwa Wirtschaftsingenieur Hakan Özaner, der auf bisher 25 schriftlichen Bewerbungen 20 Absagen kassiert hat, nach vier Gesprächen: „Das Chef-Dating ist eine Erfahrung wert.“ Auch Melanie Mulack zeigte sich nach drei Gesprächen sehr zufrieden. Sie hoffe nun auf eine weitere Einladung bei ihrem „Top-Kandidaten“: „Ich habe die Unterlagen abgegeben und die Visitenkarte bekommen.“

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