zum Hauptinhalt
Vorneweg. Marcel Kittel bejubelt seinen Sieg auf der dritten Etappe der Tour de France von Cambridge nach London.

© dpa

Sport: Heute ein Sprinter

Marcel Kittel will bei der Tour de France angreifen – sein Team soll ihn dabei unterstützen

Stand:

London - Der Name ist Programm. „Giant“ steht auf der Brust von Marcel Kittel, und mittlerweile ist er ja auch ein ganz Großer. Wenn bei bedeutsamen Radrennen Sprintetappen auf dem Programm stehen, war der Mann aus Arnstadt zuletzt immer zur Stelle. Tourauftakt 2013: Marcel Kittel schlägt auf Korsika zu und holt zudem noch das gelbe Trikot. Giroauftakt 2014: Sieg für Kittel in Belfast und Dublin. Grand Depart der Tour de France 2014: Kittel siegt in Harrogate und in London.

Damit dürfte er auch die letzten Zweifler überzeugt haben. Ex-Sprintstar Erik Zabel favorisierte in der Sprinter-Jury der „l'Equipe“ zum Auftakt zwar noch Mark Cavendish. „Ich dachte, ihm fehlen noch einige Dinge, damit er sich die Nummer 1 verdient. Aber jetzt ist er der König des Sprints, ungeachtet der Abwesenheit von Mark Cavendish", sagt der Radexperte.

Dabei war Kittels Erfolgsserie keineswegs vorgezeichnet. Zwar stammt er aus einer Radsportfamilie, sein Vater Matthias war in den 80er Jahren für Turbine Erfurt auf der Bahn und auf der Straße unterwegs, blieb im damals arg dopingverseuchten Peloton aber im Schatten von Weltmeistern wie Mario Kummer und Bernd Drogan oder des Olympiasiegers Olaf Ludwig. Obwohl Matthias Kittel schon früh das Sprintpotential seines Sohnes bemerkte, dauerte es bis zum Jahr 2011, bis auch dessen bezahlte Trainer darauf aufmerksam wurden. Bis dato galt der Junior als vielversprechender Zeitfahrer. In einem Trainingslager von Skil Shimano, dem Vorgängerrennstall von Giant, fuhr er im Frühjahr 2011 jedoch als Anfahrer dem etablierten Sprinter Kenny Van Hummel davon. Seine erste Chance als Sprinter bei der folgenden Malaysia-Rundfahrt nutzte er prompt mit einem Sieg.

Seitdem baute Kittel weiter Muskeln auf und legte auch an Rennhärte zu. Alles ganz ohne Dopingpräparate, wie er stets versichert. Die seltsame Erfurter Blutbestrahlungsaffäre 2008, als ein Arzt im Olympiastützpunkt bei seinen Patienten pro Behandlung 50 Milliliter Blut aus dem Körper zog, UV-Strahlen aussetzte und in den Körper zurückleitete, ging ohne Sanktionen für ihn aus. Und seit er im Jahr 2012 im Rampenlicht des Profizirkus ist, spricht er sich offen gegen Doping aus und fordert Haftstrafen für Dopingdealer.

Während der Sportler Marcel Kittel physisch und mental reifte, gewann auch sein Team an Qualitäten. Seit der Saison 2011 perfektioniert sein Rennstall den Sprintzug. Zwei Männer holen die Ausreißergruppen ein. Zwei weitere Teamkameraden positionieren sich ab 15 Kilometer vor dem Ziel den langgezogenen Giant-Zug.

Unmittelbar hinter ihnen sorgt Kapitän Roy Curvers dafür, dass der Zug die rechten Gleise findet. Dank seiner Fähigkeiten gilt die Sprintformation von Giant als die schlaueste im ganzen Peloton. Während André Greipels Team bei dieser Tour oft in einzelne Waggons dekompositioniert wurde und Omegas Kraftabteilung Cavendish fehlt, hält das Team Giant stets Kontakt miteinander.

„Das Team ist gut aufeinander eingestellt. Die Chemie stimmt“, sagt Kittels Gefährte John Degenkolb. Ihm kommt bei Giant die Aufgabe des „speed pilot“ zu. 1500m vor dem Ziel übernimmt er das Kommando und sorgt für dauerhaft hohes Tempo. Im Lehrbuch des Rennstalls soll Degenkolb nur 500 Meter vorn bleiben, die Rennumstände machen es aber manchmal erforderlich, dass er wesentlich länger als Lokomotive tätig ist. Für die finale Beschleunigung sorgen Koen de Kort und Anfahrer Tom Veelers. „Wenn Tom vor mir ist, dann fühle ich mich so sicher, dass ich auch die Augen schließen könnte“, meint Kittel. Die letzten 200 Meter liegt es dann an ihm, dass niemand vor ihm die weiße Ziellinie überquert. Seit der letzten Touretappe 2013 auf dem Champs Elysees ist dies bei einer Sprintankunft auch niemandem gelungen.

Aufhalten kann ihn gegenwärtig vermutlich nur ein aerodynamisches Manko. Die Gepäckkontrolle am Londoner Flughafen ließ am Montagabend sein Haarspray nicht durch. Oder eben sein Team selbst. Bis kurz nach dem Ende der Tour will Kittel Klarheit über die Zukunft seines Radrennstalls haben. Am Ende des Jahres läuft der Vertrag mit dem Hauptsponsor aus, Teamchef Iwan Spekenbrink kündigte an, dass der Rennstall auf jeden Fall fortbestehen werde. „Das Team ist jetzt am Zug. Wir warten noch bis Ende Juli. Wenn bis dahin keine Unterschrift erfolgt, müssen wir aktiv werden“, sagte Kittels Manager Jörg Werner.

Tom Mustroph

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })