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Sport: „Heutzutage ist alles mehr Kommerz als Fußball“ Interview mit Oberhausens Trainer Hans-Günter Bruns

Am kommenden Sonntag spielt der momentane Fußball-Regionalliga-Zweite Rot-Weiß Oberhausen beim Tabellen- 15. SV Babelsberg 03.

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Am kommenden Sonntag spielt der momentane Fußball-Regionalliga-Zweite Rot-Weiß Oberhausen beim Tabellen- 15. SV Babelsberg 03. Trainiert wird der mögliche Zweitliga-Aufsteiger von Hans- Günter Bruns (53).

Haben Sie mit Oberhausen den Durchmarsch von der Oberliga in die zweite Liga unter Ihrer Regie mittlerweile fest eingeplant, Herr Bruns?

Das nicht. Aber wir wollen jetzt natürlich versuchen, unsere glänzende Ausgangssituation zu nutzen und aufzusteigen.

Der Erwartungsdruck im Umfeld Ihres Vereins, nach dem Abstieg 2005 nun wieder in die zweite Liga aufzusteigen, ist sicher riesengroß.

Wir haben keinen Druck, wirklich gar keinen. Unser großes Ziel war die Qualifikation für die neue dritte Liga. Die haben wir erreicht, und nun haben wir nur noch Bonusspiele.

Was soll Rot-Weiß noch passieren? Ihre Mannschaft scheint stark genug, sich gegen die favorisierte Konkurrenz durchzusetzen. Oder?

Unsere Konkurrenz ist auch stark, das wollen wir nicht vergessen. Aber wir haben natürlich eine tolle Mannschaft und einen sehr guten Lauf und gehen einen ganz anderen Weg als die meisten anderen Vereine. Das Erfreuliche daran ist, dass das auch funktioniert.

Was meinen Sie mit anderer Weg?

Wir haben einen der niedrigsten Etats der Liga, holen Spieler nur aus der Region und legen dabei zum Teil mehr Wert auf menschliche als auf spielerische Dinge.

Was hat RWO besser gemacht als Mitaufsteiger Babelsberg 03, der das Ziel dritte Liga deutlich verpasst hat?

Das kann ich nicht beurteilen, dazu kenne ich die Strukturen im diesem Verein zu wenig. Babelsberg hat mit Sicherheit auch eine gute Mannschaft.

Vor der Saison haben Sie gesagt: Wir wollen bei optimalem Saisonverlauf versuchen, um die Qualifikation zur dritten Liga mitzumischen. Was ist anders gelaufen?

Unsere Mannschaft hat riesige Leistungssprünge vollzogen, auch jeder einzelne Spieler hat sich sehr weiter entwickelt. Das war in der Form nicht zu erwarten.

Wird erst Ihr letztes Saisonspiel beim 1. FC Union Berlin über Oberhausens Aufstieg entscheiden?

Das weiß ich nicht. Wir gucken jetzt von Spiel zu Spiel. Und als nächstes spielen wir in Babelsberg, wo wir versuchen, das Bestmögliche heraus zu holen.

Könnte auch Babelsberg mit dem letzten Spiel daheim gegen Spitzenreiter Rot-Weiß Ahlen ein Zünglein an der Waage sein?

Es wäre natürlich schön, wenn Babelsberg am letzten Spieltag noch etwas machen könnte. Aber ich glaube, dass sich Ahlen den Aufstieg auf keinen Fall mehr nehmen lässt.

Wie schätzen Sie denn Ihren nächsten Gegner Babelsberg 03 ein?

Das ist eine gute Mannschaft, die – obwohl es für sie schon lange um nichts mehr geht – mit sehr viel Moral spielt. Sie hat Wuppertal und Düsseldorf zu Hause geschlagen und gegen Erfurt unentschieden gespielt. Das zeigt, dass die Babelsberger den Mannschaften von oben schon ein Bein stellen können.

Dass Heimspiel gegen Nulldrei gewann RWO mit 3:2 – was wird das Rückspiel bringen? Alles andere als ein Sieg Oberhausens wäre doch eine Enttäuschung aus Ihrer Sicht, oder?

Nein. Wir sind genauso wie Babelsberg Aufsteiger, und deshalb gibt es für uns keine Enttäuschung, denn wir haben unser Saisonziel schon erreicht. Natürlich versuchen wir nun, noch einen drauf zu legen. Aber für uns sind das jetzt wirklich nur noch Bonusspiele, aus denen wir das Beste machen wollen.

Nach dem bisherigen Saisonverlauf ist Rot-Weiß am Sonntag klarer Favorit. Ist das Bürde oder Ansporn für Ihre Truppe?

Es gibt für uns keine Bürde. Es gibt für uns nur normale Spiele – jetzt gegen Babelsberg, dann gegen Erfurt, zum Schluss gegen Union Berlin. Warum sollen wir uns unnötig unter Druck setzen? Wir wollen nicht den Zirkus im deutschen Fußball mitmachen: Hier Enttäuschung, da Druck, dort weiß ich was. Wir spielen unsere Spiele, und fertig ist die Nummer.

Werden Sie ihr Bestaufgebot mit nach Babelsberg bringen können?

Ja. Bis auf unseren Mannschaftskapitän Benjamin Reichert, der wegen einer Virusinfektion schon seit drei Spielen fehlt, haben wir alle an Deck.

Sie haben Ihren 16-fachen Torschützen Mike Terranova und zehnfachen Torschützen Markus Kaya dabei, während der SVB im Winter seinen bislang besten Torschützen Shergo Biran – der in Oberhausen beide Tore schoss – verlor

Babelsberg hat auch mit Hartwig und Frahn vorn gute Leute. Wir müssen schon darauf achten, dass die nicht richtig ins Spiel kommen.

Sie waren einst Abwehrspieler in der Bundesliga und Nationalmannschaft, mit der Sie die EM-Endrunde 1984 bestritten. Für welche Fußball-Philosophie stehen Sie als Trainer?

Für das unbedingte Spiel nach vorn. Wir haben nicht umsonst bisher mit die meisten Tore geschossen. Wir spielen normalerweise das System 3–5–2, manchmal 4–4–2, aber grundsätzlich immer mit zwei Stürmern – auch jetzt in Babelsberg.

Am 1. Oktober 1983 gelang Ihnen einer der bekanntesten Pfostentreffer der Bundesliga-Geschichte: Im Spiel bei Bayern München stürmten Sie für Borussia Mönchengladbach über das ganze Spielfeld, doch ihr Torschuss landete am rechten Innenpfosten, der Ball rollte auf der Torlinie zum linken Pfosten und sprang von da aus zurück ins Feld. Ist das einem Ihrer Spieler auch schon passiert?

(lacht) Nein. Aber das sind Dinge, die nicht so häufig passieren. Das war damals schon eine recht seltsame Situation.

Ein bisschen seltsam mutet auch an, dass Sie im Sommer mit RWO-Sportdirektor Jürgen Luginger den Posten tauschen werden. Haben Sie keine Lust auf einen Trainerjob in der zweiten Bundesliga?

Das hängt damit zusammen, dass ich einige Dinge, die im heutigen deutschen Fußball ablaufen, nicht mehr akzeptiere.

Was akzeptieren Sie nicht mehr?

Das betrifft nicht direkt unseren Verein, aber heutzutage ist alles mehr Kommerz als Fußball. Und das war, ist und wird nie mein Ding.

Das Interview führte Michael Meyer.

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