Landeshauptstadt: „Hier bin ich nicht allein“
Im „i-Punkt“ finden psychisch Kranke und ihre Angehörigen Verständnis und Akzeptanz
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Im „i-Punkt“ finden psychisch Kranke und ihre Angehörigen Verständnis und Akzeptanz „Ich wurde von meinen Nachbarn ausgelacht und gehänselt. Ich fühlte mich so beschämt.“ Vor einigen Jahren stellten die Ärzte bei Karl-Heinz Schizophrenie fest, später diagnostizierten sie manische Depressionen mit gelegentlichen Psychosen. Als herauskam, dass er in psychiatrischer Behandlung ist, wurde der 59-Jährige nicht nur mit verletzenden Sprüchen konfrontiert, sondern vor allem mit Unverständnis und Ablehnung. Kollegen und Freunde distanzierten sich, die Familie wandte sich ab. Heute kann Karl-Heinz „offen und ohne Scham“ über seine Krankheit sprechen. Seit dem Frühjahr besucht er regelmäßig den „i-Punkt“, die gemeindepsychiatrische Kontakt- und Beratungsstelle der Potsdamer Diakonie. Seit 1995 ist der „i-Punkt“ eine Anlaufstelle für psychisch Kranke und ihre Angehörigen. „Hier werde ich verstanden und bekomme Antworten auf meine Fragen“, sagt Karl-Heinz. „Und hier bin ich nicht allein.“ Betroffene fallen gerade nach Klinikaufenthalten und Therapien oftmals in ein „tiefes, schwarzes Loch“, weiß Lies-Hilde Winzer. Eine der Hauptaufgaben des „i-Punkt“ sei deshalb, Betroffene aus ihrer Einsamkeit zu holen. „Das ,i“ steht für Information, Integration und gegen Isolation“, erklärt die Sozialarbeiterin, die gemeinsam mit ihrer Kollegin und Kunsttherapeutin Sabine Knappe jeden Monat rund 60 Besucher betreut. Freizeitangebote und Gespräche Mit einem vielfältigen Programm sollen sie angeregt werden, ihre Freizeit selbstbestimmt zu gestalten. Die Möglichkeiten reichen von Musik hören, Zeichnen und Gestalten über Kochen und Töpfern. Ab und zu werden auch gemeinsam mit den Besuchern Ausflüge organisiert. Zu den offenen Angeboten gehört das Frühstück montags um 10 Uhr, die Gesprächsrunde am Mittwochnachmittag und der freitägliche Kaffeeklatsch. Außerdem werden im „i-Punkt“ Einzelgespräche, Sozialberatungen und Hilfestellungen bei Behördengängen angeboten. „Ich finde es toll, dass ich hier kreativ werden kann“, sagt Beate, die seit zwei Jahren in der Malgruppe mitwirkt. Die studierte Theater- und Kulturwissenschaftlerin lebt seit 15 Jahren mit ihrer Diagnose. „Aber die Schizophrenie wird gut mit Medikamenten behandelt.“ Gern würde Beate wieder arbeiten, doch anspruchsvolle Stellenangebote sind bislang ausgeblieben. „Und das, was mir angeboten wurde, möchte ich wirklich nicht machen – weil es mich einfach total unterfordern würde.“ „Ob ich sie gleich anfallen werde“ Christine, eine andere Besucherin, kennt die Ursache für dieses Dilemma und bringt es – mit einem zynischen Unterton in der Stimme – auf den Punkt: „Psychisch krank ist gleich doof“ lautet nur eines der Vorurteile, mit denen die gelernte Krippenerzieherin zu kämpfen hat. Christine bekommt seit mehr als 20 Jahren Medikamente, um ihre Krankheit, die sie nicht näher beschreiben mag, zu kontrollieren – mit Erfolg, wie sie sagt: „Ich hatte in der ganzen Zeit nur eine ernste Psychose.“ Doch manche Mitmenschen kennen nur Schwarz oder Weiß, wie Christine bereits erleben musste: „Als ich einmal im Garten gewesen bin, haben meine Nachbarn mich gefragt, ob ich sie gleich anfallen werde.“ Wenn sie so etwas hört, verdreht Sabine Knappe genervt die Augen: „Das sind doch Menschen wie Du und ich“, sagt sie fast gebetsmühlenartig, „nur dass sie eben seelisch und nicht körperlich krank sind.“ Doch Vorurteile halten sich hartnäckig, wie die Mitarbeiterinnen vom „i-Punkt“ wissen – und genau das treibt sie an, sich weiterhin für psychisch Kranke zu engagieren. „Es ist wichtig, dass wir ihnen einen Schutzraum bieten“, sagt Lies-Hilde Winzer, „wo sie so akzeptiert werden, wie sie sind.“ Andrea Röder Die Mitarbeiterinnen des „i-Punkt“, KonradWolf-Allee 37, sind unter der Telefonnummer (0331) 270 97 70 erreichbar.
Andrea Röder
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