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Landeshauptstadt: „Hier hängen Schicksale“

Zum Start der neuen Ausstellung drängte sich die DEFA-Familie im Filmmuseum – und freute sich, dass ein Stück Kultur bewahrt wird

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Zum Start der neuen Ausstellung drängte sich die DEFA-Familie im Filmmuseum – und freute sich, dass ein Stück Kultur bewahrt wird Von Heidi Jäger und Sabine Schicketanz Es war wie bei einem Familienfest, jeder kannte jeden, das Schwelgen in Erinnerungen wollte kein Ende nehmen. Nicht nur die Großen des DEFA-Films stellten sich zur Eröffnung der neuen Dauerausstellung am Donnerstagabend im Filmmuseum ein, auch die vielen kleinen Künstler drumherum, die zum Gelingen eines Films unentbehrlich sind, hatten sichtlich Freude an diese Reise in die Vergangenheit. „Als wir 1946 unsere Arbeit bei der DEFA begannen, wollten wir uns von der Traumfabrik der Ufa absetzen. Wir wollten mehr Wirklichkeit in die Filme holen, um wiederum auf die Wirklichkeit einzuwirken“, erinnerte sich der inzwischen 93-jährige Nestor Kurt Maetzig. „Alle Filmschaffenden standen für eine bessere Welt, wollten nie wieder Krieg und Faschismus zulassen. Das war der Grundkonsens für alle Einzelgänger, die wir ansonsten waren.“ Unter den 800 DEFA-Spielfilmen seien neben einigen Meisterwerken viel Mittelmäßiges und nicht wenig Misslungenes gewesen, aber alle trügen sie den Stempel ihrer Zeit und der jeweiligen Umstände. „Verdienen sie es, in den Orkus der Geschichte zu verschwinden?“, fragte Maetzig zur Eröffnung. Er freute sich, dass heute offensichtlich wieder anders auf DEFA-Filme geschaut werde als gleich nach der Wende. Diesen anderen Blick zu eröffnen, das sei eine Aufgabe der Ausstellung, meinte Schauspieler Jaecki Schwarz. „Viele denken, in der DDR gab es nur Propagandafilme. Ein normaler Bundesbürger kennt sich da nicht aus.“ Gewünscht hätte sich Schwarz, dass die Schau mehr über die Umstände und Schwierigkeiten, unter denen die Filme entstanden, vermitteln würde. „Hier hängen Schicksale.“ Da scheint es geradezu harmlos, dass Regisseur Andreas Dresen der Dauerausstellung seinen Silbernen Bären ausgeliehen hat – er bekam ihn für den Film „Halbe Treppe“. „Bei mir stand er in der dunkelsten Ecke im Schlafzimmer“, so Dresen. „Da ist es besser, er ist hier in der Vitrine.“ Doch vor allem die gezeigte Historie berühre ihn. „Dieses filmische Erbe hat mich geprägt. Es ist Zeit, ihm ein Denkmal zu setzen – aber eines, vor dem man nicht erstarrt, sondern mit dem man sich auseinander setzen kann.“ Zum ruhigen Schlendern durch die Schau hatte Dresen keine Zeit: Er betätigte sich als DJ und legte Platten auf, die er eigens von zu Hause mitgebracht hatte. Wie bei einem Fest üblich, gab es an diesem Abend auch gut zu essen. Die Krönung war eine Riesentorte à la „Metropolis“, die die Kulturministerin Johanna Wanka anlässlich ihres Geburtstages überreicht bekam. Sie gehört inzwischen ganz augenscheinlich zur großen Filmfamilie dazu. Schließlich war sie es höchst persönlich, die sich finanziell für die neue Schau stark gemacht hatte. „Schön euch zu sehen. Ich habe nie wieder so integre Leute kennen gelernt wie damals bei der DEFA. Wir waren richtig gute Teams“, begrüßte Regisseur Egon Günther am Rande des Buffets euphorisch ehemalige Kollegen. Obwohl er 1979 alles hingeworfen und das Land verlassen hatte, überwiegen heute die guten Erinnerungen. „Wir waren wie ein riesengroßes Schiff, das den Weg nicht wusste, aber alle waren mit Begeisterung dabei.“ Als er im anderen Teil Deutschlands war, fühlte er sich wie in der Emigration. „Es war ein großes Verlustgefühl.“ Schön war es auch, Lothar Warneke im Gedränge auszumachen. Er lebt heute bei Jüterbog und veranstaltet einmal monatlich einen Gesprächsabend mit DEFA-Filmen. „Sie finden große Resonanz, auch bei Jugendlichen. Über Filme bekommt man viel über den Alltag eines Landes mit.“ Und gerade weil heute die DDR-Geschichte oft nur diffamierend dargestellt werde, blühe die Ostalgie. „Die Leute gehen in einen inneren psychischen Protest.“ Er selbst freue sich, gerade mit seinem letzten Film „Einer trage des anderen Last“ immer wieder eingeladen zu werden. „Das stärkt das Selbstbewusstsein.“ Regisseur Günter Reisch, der Filme wie „Die Verlobte“, „Wolz“ oder „Anton der Zauberer“ schuf, freute sich, dass die verschiedensten Generationen der DEFA auch an diesem Abend zusammen trafen. „Ich war Meisterschüler von Kurt Maetzig und mein Meisterschüler war Andreas Dresen.“ Die Ausstellung betrachte er mit Tränen in den Augen, „es ist berührend zu sehen, dass ein Stück Kultur möglicherweise erhalten und weiter gegeben wird“.

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