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Groß geworden. Auch Lea und Sarah wurden nach der Klinik-Entlassung weiter betreut. Ihre Mütter loben das Nachsorge-Team.

© A. Klaer

Potsdamer Bergmann-Klinikum ist Vorreiter: Hilfe für das Frühchen daheim

Neu in Brandenburg: Das Potsdamer Bergmann-Klinikum leistet Nachsorge für Frühgeborene nach der stationären Behandlung. Dabei geht es nicht nur um die Babys selbst, auch den Eltern sollen Ängste genommen werden.

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Innenstadt - Als erstes Krankenhaus im Land Brandenburg kann das Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ auf ein organisiertes Team verweisen, das aus der Klinik entlassenen Frühgeborenen und kranken Neugeborenen auch im elterlichen Umfeld zur Seite steht. Für diese sozialmedizinische Nachsorge erhielt das kommunale Klinikum am 1. Mai eine Vergütungsvereinbarung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen Berlin-Brandenburg (MDK). „Wir haben zwölf Monate auf die Zulassung gewartet“, erklärte die Leiterin der Frühgeborenen-Nachsorge, Kathrin Vogler, am Montagnachmittag vor Journalisten. Anlass war ein Klinikumsbesuch der Potsdamer Bundestagsabgeordneten Andrea Wicklein und der Landtagsabgeordneten Klara Geywitz (beide SPD). Trotz der Rahmenvereinbarung mit den Krankenkassen bleibe das Nachsorge-Team weiterhin auf Spenden angewiesen, so Kathrin Vogler.

Das Bergmann-Klinikum ist nach Aussage des Chefarztes der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Prof. Dr. Michael Radke, in erhebliche Vorleistung gegangen. Die Anstoßfinanzierung für eine weitere Versorgung von aus der Klinik entlassenen Frühchen und kranken Neugeborenen hätten Spenden in Gesamthöhe von 8000 Euro gebracht, die 2010 auf dem großen Potsdamer Kinderärztekongress eingeworben wurden. Für ein Kind mit weniger als 750 Gramm Geburtsgewicht müsse die Solidargemeinschaft etwa 120 000 Euro aufbringen, „damit das Kind eine gute Entwicklung nehmen kann“, erklärte Radke. Nach einem hunderttägigen Klinikaufenthalt bei Tageskosten von 1000 Euro sei die Gesellschaft gut beraten, eine gute Nachbetreuung im elterlichen Umfeld zu organisieren, um erneute Klinikaufenthalte zu vermeiden. Dem pflichtete die Chefin des Nachsorge-Teams bei: „Wir sparen den Krankenkassen Geld.“ Daher verstehe sie nicht, „warum es bei manchen Kindern Probleme bei der Bewilligung von Anträgen gibt“. Kathrin Vogler kritisierte, dass knapp ein Viertel der Anträge auf Nachsorge – genau 24,27 Prozent – im Raum Berlin-Brandenburg durch die Krankenkassen im vergangenen Jahr abgelehnt worden seien. Zum Vergleich: Im Land Baden-Württemberg seien es 2012 nur 7,45 Prozent der Anträge gewesen. „Im Süden und im Westen der Bundesrepublik sind die Versorgungskapazitäten besser“, sagte Kathrin Vogler. Bundesweit könne nur jedes siebente Kind mit einem Nachsorgebedarf tatsächlich auch eine professionelle häusliche Nachsorge erhalten. Bei 3200 Kindern in der Bundesrepublik sei im vergangenen Jahr tatsächlich auch eine Nachsorge erfolgt, das entspreche lediglich 15 Prozent des Bedarfs. Noch immer stoße sie am Telefon bei Krankenkassen auf Mitarbeiter, die sie fragten: „Wer sind Sie? Was machen Sie?“ Die Kassen hätten sich selbst das Ziel gesteckt, innerhalb von vier Tagen über einen Antrag auf Nachsorge zu entscheiden – „es hat aber auch schon vier Wochen gedauert“, sagte Kathrin Vogler. Zudem sei der Algorithmus der Abrechnung sehr starr, „wenn man den noch mal aufbrechen könnte ...“

Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Nordost als eine der größten Krankenkassen wurde am Montagnachmittag von den PNN zu der Nachsorge-Problematik angefragt und stellte eine Stellungnahme in Aussicht.

Im vergangenen Jahr erhielten 29 der im Potsdamer Perinatalzentrum behandelten Frühchen häusliche Unterstützung durch das Nachsorge-Team des Potsdamer Klinikums. Ziel sei es, diese Zahl auf 35 pro Jahr zu erhöhen, so Nachsorge-Chefin Vogler. Das Nachsorge-Team besteht aus Kinderkrankenschwestern, Kinderärzten und Psychologen. Es folge dem Modell der Stiftung „Bunter Kreis“ in Augsburg, das einen ganzheitlichen Ansatz vorgibt. Das bedeute, auch die Eltern einzubeziehen. Oft gehe es darum, diesen die Ängste zu nehmen und sie zur weiteren Versorgung der Kinder zu befähigen. Das fange bei einfachen Dingen wie der Vermeidung eines Schütteltraumas an. Dazu Kathrin Vogler: „Wir raten bei Überlastung: Leg das Kind auf den Boden und geh für fünf Minuten auf den Balkon.“ Auch bei komplexen Behandlungen wie einer Heimbeatmung der erkrankten Kinder könnten die Eltern bei guter Anleitung viele Dinge – etwa Schleimabsaugen – selbst verrichten.

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