HEYES Woche: Hingucken und nicht wegducken
Uwe-Karsten Heye fordert eine Auseinandersetzung mit neuen Nazis
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Zehn Jahre „Tolerantes Brandenburg“. Zu Recht ein Anlass, danach zu fragen, was dieser Anstoß gebracht oder verändert hat. Noch immer gilt Brandenburg als ein Land, das rechtsextremer Herausforderung und fremdenfeindlicher Grundstimmung besonders ausgesetzt ist. Im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl ist leider zu konstatieren, dass Brandenburg auch heute noch einen Spitzenplatz einnimmt, wenn es um die Zahlen der jährlich steigenden Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund geht. Das gilt auch für rechtsextrem motivierte Gewalttaten. Also ist die vergangene Dekade kein Grund sich zurückzulehnen. Noch weniger, sich auf die Schulter zu klopfen. Es ist gut und für den Rest der neuen Länder noch immer vorbildhaft, dass die Regierungskoalition und an der Spitze der Regierungschef selbst, die notwendige Auseinandersetzung mit den neuen Nazis zu ihrer/ seiner Sache gemacht hat. Brandenburg finanziert die Arbeit des Instituts für Gemeinwesenberatung und seines Mobilen Beratungsteams seit l998. Und nach zehn Jahren Arbeit wächst die Zahl der Gemeinden, die dort anklopfen und um Beratung bitten wie sie mit dem Problem rechtsextrem motivierter Gewalt umgehen sollen. Es gibt sie immer noch, die Lokalpolitiker, die glauben, weggucken und wegducken, sei die richtige Antwort, und die Wahrheit könnte Investoren verschrecken. Das Gegenteil ist der Fall: Die Investoren werden verschreckt, wenn sie überlegen müssen, ob sie ihr internationales Personal vor rechtsextremen Schlägertrupps schützen müssen. Doch immer mehr Bürgermeister und Landräte stellen sich der Einsicht, dass man die Probleme erst mal eingestehen muss, wenn man sie bewältigen will. Das ist wohl auch ein Erfolg der Aktion „Tolerantes Brandenburg“ - jedenfalls ein erster Schritt.
Im übrigen lohnt es, genau hinzusehen und nach den Gründen zu suchen, die manchen Jungen und – seltener - manches Mädchen dazu bringt, Demokratie für eine Veranstaltung zu halten, die für ihre Zukunft keine Antworten hat. Vertiefende Untersuchungen zeigen, dass rechtsextrem agierende Jugendliche überwiegend bildungsfern sind und selbst unter Gewalterfahrung litten und leiden. Sie brauchten Zuwendung und Hilfe und Förderung. Und eine Kultur der zweiten und dritten Chance. Zehn Jahre „Tolerantes Brandenburg“ sollte Anlass sein, Handlungsfantasie zu zeigen und Demokratie erlebbar zu machen.
Unser Autor war Redenschreiber Willy Brandts und Regierungssprecher Gerhard Schröders. Heute lebt er mit Familie in Babelsberg und arbeitet als Autor und Publizist.
Uwe-Karsten Heye
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