
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Hinweise auf fahrlässige Tötung
Prozessbeginn um verunglückte Radlerin / Stadt: Kontrollen an „Hot Spots“ / Neuer schwerer Rad-Unfall
Stand:
Der tödliche Unfall einer 33 Jahre alten Radfahrerin aus Potsdam im vergangenen Oktober steht vor der juristischen Klärung. Am Potsdamer Amtsgericht räumte der wegen fahrlässiger Tötung Angeklagte Florian B. am Montag ein, er habe als Fahrer des Lieferservice „Hallo Pizza“ mitten auf dem Radweg vor der Babelsberger Filiale der Fast-Food-Kette geparkt – obwohl er um das Verbot wusste, dort den Firmenlieferwagen abzustellen.
In dem Prozess wirft die Staatsanwaltschaft dem 31-Jährigen vor, nicht auf den nachfolgenden Verkehr geachtet zu haben, als er die Autotür öffnete. Dabei soll die 33-jährige Radlerin Antje S. mit den Vorderrad gegen die Tür gestoßen und auf die Fahrbahn gestürzt sein. Ein kurz nach ihr fahrender Mercedes überrollte ihren Oberkörper, noch am Unfallort in der Großbeerenstraße starb die Frau an schweren inneren Verletzungen.
Im Prozess bestätigte sich der Hergang im Wesentlichen. So belegte ein Gutachten der Dekra anhand der Schäden an der Türkante des Smarts, dass der Lenker des Fahrrads der getöteten Frau dagegen gestoßen sein muss. Dekra-Gutachter Karsten Laudien sagte, auch der Seitenspiegel des Wagens sei so eingestellt gewesen, dass der Angeklagte die Radlerin hätte sehen müssen. Dagegen sei die Sicht im Rückspiegel etwa durch aufgeklebte Pizza-Werbung behindert gewesen. Der Angeklagte sagte, er habe vorsichtig die Tür geöffnet und in die Rückspiegel gesehen, dort aber nur Autos von Kollegen wahrgenommen.
In der Tat hatten – das wurde in der Verhandlung erstmals bekannt – auch andere Mitarbeiter von „Hallo Pizza“ ihre Privatwagen auf dem Radweg geparkt. Noch bemerkenswerter: Bevor die Polizei ein Foto vom Unfallort machte, waren die Autos offensichtlich schon an anderen Stellen wieder umgeparkt. So blieb unklar, ob die anderen Autos tatsächlich die Sicht behindert haben. Sowieso agierte die Potsdamer Polizei in dem Fall unglücklich: Nur mittels eines bei der Toten gefundenen Fotos eines Kindes erklärten Polizisten die verstorbene Frau gegenüber Journalisten zur Mutter – später aber wurde bekannt, dass das Foto ihre Nichte zeigte.
Die Verhandlung um den Tod der Frau wird am 23. Juni fortgesetzt, dann wird das Urteil erwartet. Für Fahrlässigkeitsdelikte gibt es erfahrungsgemäß meist keine Haftstrafen, sondern Geld- oder Freiheitsstrafen auf Bewährung. Weitere Ermittlungen im Fall Antje S. gegen die Fahrerin des Mercedes, ob diese der stürzenden Frau hätte ausweichen können, hatte die Staatsanwaltschaft bereits eingestellt.
Bei „Hallo Pizza“ erklärte Sprecher Michael Jansen gestern, der Vorfall würde bei Schulungen für die Filialleiter auch jetzt noch thematisiert. In einem Rundschreiben an die Filialen nach dem Unfall hieß es, alle Filialleiter sollten ihre Fahrer „ausdrücklich“ darauf hinzuweisen, dass in jeder Situation – „und sei es die größte Eile“ – die Straßenverkehrsordnung einzuhalten ist. „Dies gilt auch für das häufige kurzfristige Abstellen des Fahrzeuges, welches die Tätigkeit eines Pizzalieferfahrers nun einmal typischerweise mit sich bringt“, so die „Hallo Pizza“-Kette. Ein Angestellter der Babelsberger Filiale versicherte den PNN gestern, es würde nicht mehr auf dem Radweg geparkt: „Das lässt sich auch kontrollieren.“ Allerdings hatten Passanten den PNN erst jüngst geschildert, dass „immer einmal wieder“ Autos der Filiale auch auf dem Radweg halten.
Jenseits der juristischen Aufarbeitung des Unfalls sagte Potsdams Fahrradbeauftragte Torsten von Einem den PNN, das Ordnungsamt kontrolliere bestimmte Radwege regelmäßig auf abgestellte Autos. Jedoch würden diese Aktivitäten wegen der „Personalstärke“ nicht ausgeweitet. Die Stadtverwaltung müsse sich daher auf Appelle zur Rücksicht beschränken.
Indessen meldete die Polizei gestern einen weiteren schweren Radler-Unfall. Auf der L 92 bei Groß Glienicke stieß ein Lastwagen aus noch ungeklärten Gründen gegen einen Radfahrer, nachdem beide an einer Ampel losgefahren waren. Der Radfahrer wurde schwer am Oberschenkel und Becken verletzt in ein Krankenhaus gebracht.
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