
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Hip-Hop unterm Bechstein-Flügel
Talente-Casting am Leibniz-Gymnasium für den Auftritt in der Sternkirche
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Glanz und Glamour sucht man bei diesem Casting vergeblich. Die Luft im Musikraum des Leibniz-Gymnasiums lässt auf einen langen Schultag schließen, auf dem Boden stehen Rucksäcke und Taschen. Zwölf Schüler sind am gestrigen Mittwoch gekommen, um sich für den jährlichen schulinternen Talenteabend zu qualifizieren. Am 7. März findet dieser, der fünfte mittlerweile, in der benachbarten Sternkirche im Schäferfeld statt.
„Unsere Schule ist ein alter DDR-Plattenbau Typ Erfurt, uns fehlt eine Aula“, sagt Organisatorin Christiane Pilz frustriert. Für größere Veranstaltungen wie den Spanisch-Tag weiche man in die dringend sanierungsbedürftige Turnhalle „mit einer miesen Akustik“ aus – oder eben in die Kirche. Es sei wunderbar, dass sie da rein dürften. Freilich zahlen sie dafür auch Miete. Einen größeren, ansprechenden Raum, wo man sich mal spontan für ein Projekt versammeln kann, gibt es nicht.
Deshalb findet das Casting jetzt im Musikraum statt, wo die Schüler Tische beiseite geschoben und aus den Stühlen eine Art Halbkreis gebildet haben. Es soll schließlich so etwas wie eine Bühnenatmosphäre entstehen. In der Ecke steht ein alter Bechstein-Flügel, der wohl schon bessere Zeiten gesehen hat, darunter ein großer Pappkarton. Gegenüber an der Wand in zwei Metern Höhe Schülerplakate, daneben die Urkundensammlung des preisgekrönten Schulchors.
Auch der 35 Mitglieder starke Chor wird am Talenteabend teilnehmen, die Kinder der Musik-AG der Sekundarstufe I werden Lieder vortragen, die sie selbst geschrieben haben. Außerdem gibt es am Leibniz-Gymnasium eine Schulband und eine Theatergruppe, die Loriot-Sketche einstudiert hat. „Die müssen sich selbstverständlich nicht mehr qualifizieren“, sagt Musiklehrerin Katrin Krüger.
Die gestrige Vorstellungsrunde ist für Einzelkandidaten, die in drei Wochen Mitschülern und Ehemaligen, Lehrern, Eltern und Nachbarn aus dem Wohngebiet ihr Können und ihre Talente zeigen wollen. „Dieser Abend ist wichtig, um sich mal außerhalb des Unterrichtsgeschehens kennen zu lernen“, sagt Pilz.
Und dann trauen sie sich erst mal nicht – bis Denis aus der achten Klasse den Anfang macht und sich an den Flügel setzt. Das Stück aus „Fluch der Karibik“ holpert noch hier und da. Denis weiß das, und es ist ja noch Zeit zum Üben. Sabrina aus der sechsten Klasse spielt ein kurzes Motiv aus Vivaldis „Winter“ von den „Vier Jahreszeiten“. Die Lehrer-Jury findet, sie könnte vielleicht ein Orchester-Playback gebrauchen, auch bei David Garrett sei ja nicht alles live.
Naomi aus der fünften Klasse spielt den Ohrwurm aus dem Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“, sie haut in die Tasten und Pedale, als ginge es um Leben oder Tod. „Es ist das einzige Stück, das ich kann, damit muss ich auftreten“, sagt sie. Maximilian hätte zwei zur Auswahl, eine Sonatine und den Türkischen Marsch, aber er ist nervös, und wie soll er sich nur entscheiden?
Es gibt nicht nur musizierende Schüler, sondern auch Tänzer. Den Anfang macht Laurentia aus der Fünften, ein zartes Persönchen in mausgrauen Schlabbersachen, die zu wummernden Bässen einen Hip-Hop hinlegt, mit einer ganz eigenen charmanten Note. Marie und Lisa tanzen gleich zusammen eine eigene Choreografie, sie kennen sich aus dem Tanz-Verein.
Für die Vorführung von Xenia und Cindy muss die ganze Gruppe noch einmal umziehen. Die Schwestern aus der 8. und 5. Klasse, die zusammen trainieren, wollen ein paar Judo-Würfe zeigen. In der Turnhalle haben sie den Fußballspielern eine Ecke abgetrotzt und ein paar Matten ausgebreitet, wo sie jetzt ihren kurzen Auftritt haben. Dann ist es geschafft. Bis zum 7. März wird sich die Jury Gedanken machen, wer wann womit auftritt. „Hoffentlich kommen viele Zuschauer“, sagt Katrin Krüger, in einer halbvollen Kirche zu spielen, sei auch nicht schön. Steffi Pyanoe
Talenteabend am 7. März um 19 Uhr in der Sternkirche, Eintritt frei
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